Schluckloch
Die Schwester sah ihr im Nachtlicht des Ganges entgegen. Die Hände ließ sie in den Kitteltaschen und nickte ihr nur zu. Kurz. Es war ihr recht. Sie vermied es, der Schwester ins Gesicht zu sehen. Weitergehen, dachte sie. Ihre Schatten glitten auf dem schimmernden Bodenbelag voraus.
Zuletzt waren sie wieder am See gewesen. An die Lichter der Stadt gewöhnt, waren sie erst nach dem Mittagessen aufgebrochen. Sie hatten nicht an das Gebirge gedacht. Der See war zugefroren. Im Schnee war ein schmaler Weg gespurt. Sie mussten hintereinander gehen. Der Gletscher leuchtete. Der Felskamm und die Wände glosten. Dann brach das Licht und es wurde still. Sie kehrten nicht um. Sie blieben auf ihrem Weg um den See. Aus dem Fels wuchs das Eis. Rund und glatt überzog es den Stein, in armdicken Zapfen drängte es sich an Überhängen. Der See ist ein Speichersee. Im Winter wird sein Spiegel gesenkt. Sie warfen Eiszapfen auf die Eisdecke unter ihnen. Beim Aufprall begann das Eis zu klingen. Ein Summen flog über den See wie ein flacher Stein. Das Eis sang und sie standen da und horchten und konnten nicht genug bekommen von diesen Tönen. Am Himmel hatten sich Orion und der Fuhrmann niedergelassen, als sie durchfroren und steif den Ausgangspunkt erreichten. Jetzt hatten die Kinder einen Wunsch offen. Die Kinder jubelten, als sie über den vereisten Asphalt des leeren Parkplatzes schlitterten. Er gab wieder Gas und zog die Handbremse. Ihr war nicht wohl dabei, aber sie schwieg. Sie waren schon lange nicht mehr so ausgelassen gewesen. Sie hielt sich fest, und während sich das Auto vor der dunklen Seilbahnstation drehte und drehte und drehte, konzentrierte sie sich auf den Gesang des Eises am See. Der Klang war bei ihr geblieben. Manchmal überlagerten ihn die Geräusche der täglichen Verpflichtungen. Aber er war da. Als sie mit der Schwester durch das Nachtlicht ging, füllte er den Gang aus und sie trat vorsichtig auf, um nicht einzubrechen.
Vor dem Zimmer Nummer 4 blieb sie stehen. Aber die Schwester ging weiter und öffnete eine Tür auf der anderen Seite des Ganges. Zusammengeklappte Rollstühle standen in dem Raum, Besen, Kübel, fahrbare Ständer für Infusionsflaschen. Und in der Mitte stand das Bett. Seitlich waren jetzt Gitter angebracht. Um das Kinn hatte man ihm ein weißes