I.
Sonntags verwandelte sich der Ort: Bereits am Vormittag waren die Gasthäuser offen, gingen die Voestler hinein und kamen heraus, vor der Kirche, nach der Kirche, konnten die Kinder es kaum fassen, dass es sie jeden Sonntag wieder gab, ihre Väter – die Kinder umkreisten sie aufgeregt, staunend, zwickten sie, um glauben zu können, was sie sahen.
Nur die Väter hatten einen Namen: Voestler, Eisenbahner, Wirt, Arzt, Pfarrer, Trafikant, Bürgermeister, Briefträger, Fleischhauer, Schuster, Schneider, Polizist und Pensionist. Früher gab es eine Hebamme, aber die hat der Friedhof verschluckt, erzählte die Großmutter ihrer Enkelin.
In der Kirche war der Pfarrer der Besitzer der Worte. Er redete allein in einer Sprache, die niemand außer ihm und Gott verstand: Latein. Nicht einmal die Großmutter des Kindes verstand jedes Wort, obwohl sie täglich in die Kirche ging. Nur die Sonntagspredigt, für die der Pfarrer den Altar verließ und auf die Kanzel hinaufstieg, hielt er auf deutsch. Alle schwiegen, obwohl er bei jeder Predigt mehrmals schrie, was verboten war, wie das Kind wusste. Die Predigten mochte das Kind nicht: Es herrschte eine gedrückte Stimmung in der Kirche, solange der Pfarrer auf der Kanzel Deutsch redete. Manche Worte hüpften gegen die Säulen und taten ihr in den Ohren weh, von anderen bekam sie eine Gänsehaut, die sie zappeln ließ. Halt still, wurde sie von der Mutter ermahnt, aber manchmal hielt sie die Worte des Pfarrers nicht aus und rannte ins Freie, sah die Grabkreuze tanzen, die Blumen in die Luft fliegen oder die Gräber und Blumen unter sich, eingehüllt in den Voest-Rauch, bis die Großmutter sie umarmte und mit ihr nach Hause ging.
Latein werde in all den unzähligen Kirchen auf der ganzen Welt gesprochen, erzählte die Großmutter ihrer Enkelin, die nur dara