: Elisabeth Schmidauer
: Sommer in Ephesos
: Residenz Verlag
: 9783701742875
: 1
: CHF 11.80
:
: Erzählende Literatur
: German
: 350
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Erste Liebe und begrabene Hoffnungen: Nach diesem Sommer ist alles anders. Einen Sommer lang verbringt Anastasia in Ephesos, da ist sie siebzehn. Statt ihre Mutter, die Tänzerin, mit deren wechselnden Liebhabern durch Amerika zu begleiten, lernt sie bei den Grabungen die lebenslange Obsession ihres Vaters kennen, an der nicht nur seine Ehe zerbrochen ist - Ephesos, die Stadt, die immer nur in ihren Träumen existierte und in den Büchern des Vaters, eines berühmten Archäologen. Dort trifft sie auch Hubert wieder, ihre erste Liebe, seinen Lieblingsschüler, der einmal im Haus der Eltern ein und aus ging, doch das ist lange her. In diesem Sommer glaubt Anastasia noch, ihre Zukunft würde beginnen, doch der Sommer endet in einer Katastrophe... Als sie viele Jahre später die Nachricht erhält, dass ihr Vater tot ist, erfährt sie, was damals und davor wirklich geschehen ist. Und warum er und auch Hubert nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten - das war am Ende dieses Sommers.

Elisabeth Schmidauer geboren 1961 in Linz, Studium der Germanistik und Geschichte, lebt als Lehrerin in Wien. Mitglied des ur.theaters, Improvisationsschauspielerin im Theater Drachengasse in Wien. 'Sommer in Ephesos' ist ihre erste Buchveröffentlichung.

I


Manchmal, zwischen Schlafen und Wachen, sehe ich die weiße Stadt. Manchmal gehe ich, im Traum, die Marmorstraße entlang, die Kuretenstraße, die Arkadiane. Die Malven schaukeln im Wind, die Zikaden schrillen in den Hanghäusern, und die aufgehende Sonne taucht die Kapitelle und Säulen der Bibliothek in rosiges Gold. Ich gehe durch die leere Stadt, als gehörte ich hierher, ich weiß es wieder, dass ich hierher gehöre, immer habe ich es gewusst, und einmal, da war ich siebzehn, einen Sommer lang, gehörte die Stadt mir.

Dass mein Vater gestorben war, erfuhr ich während einer Besprechung. Ich hatte mein Handy auf Empfang gestellt, ich erwartete einen Anruf, es hatte Probleme mit Materiallieferungen gegeben, am Display sah ich, dass Eva anrief, meine Mutter, es war 15 Uhr 47. Ich kann jetzt nicht, sagte ich, dein Vater ist tot, etwas rauschte in meinen Ohren, ich ruf dich zurück, sagte ich und unterbrach die Verbindung. Ich klärte die Sache mit den verschollenen Lieferungen, ich vereinbarte Termine für Objektbegehungen in den nächsten Tagen, ich diskutierte das neue Projekt, Bürotürme aus Stahl und Glas, in meinen Ohren rauschte es wie von Flügeln.

Erst am Abend fand ich den Mut, Eva anzurufen. Ich bin in L. A., sagte sie, ich weiß nicht, ob ich kommen kann, du kümmerst dich doch darum.

Worum, fragte ich, das Begräbnis, sagte sie ungeduldig, wer soll es sonst machen, da ist sonst keiner, das weißt du.

Ich wusste es nicht, woher hätte ich es wissen sollen, was wusste ich von meinem Vater, ich hatte ihn seit dreizehn Jahren nicht mehr gesehen, seit dreizehn Jahren nichts von ihm gehört. Hin und wieder hatte meine Mutter, aber was wusste sie von seinem Leben oder von meinem, hatte Eva etwas erzählt, am Telefon, oder wenn wir einander kurz sahen, wenn sie in Wien war. Jahre nach der Scheidung, die Mutter war da schon lange in Amerika, hatte der Vater sie manchmal angerufen, das erzählte sie mir dann, dass er daran dachte, das Haus zu verkaufen, ist dir das gleichgültig, fragte sie mich, es ist sein Haus, sagte ich. Dass er auf Kur gewesen war, dein Vater auf Kur, sagte sie und sie schüttelte den Kopf, er wird alt, sagte sie, und es klang, als hätte sie das nicht von ihm erwartet, nich