: Erika Pluhar
: Er
: Residenz Verlag
: 9783701742547
: 1
: CHF 9.00
:
: Erzählende Literatur
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Erika Pluhar beschreibt die Reise eines Mannes zu sich selbst. Emil Windhacker ist ein Mann in den besten Jahren. Karrierebewusst, sportlich, immer in guter Gesellschaft genießt er sein Leben in vollen Zügen. Doch ein Laborbefund und ein ihm neues Gefühl von Schwäche und Versagen lassen ihn nachdenklich werden. Bedeutet dieser Befund sein Todesurteil? Als Emil der Schauspielerin Marie Liebner begegnet, überstürzen sich die Ereignisse... Erika Pluhar beschreibt drei Tage im Leben eines Mannes. Aus der subjektiven Perspektive Emils vollzieht Pluhar eine punktgenaue Abrechnung mit der männlichen Sicht auf die großen Lebensthemen Liebe, Krankheit und Tod. Poetisch, humorvoll, erzählerisch dicht und zutiefst berührend schildert die Autorin die Geschichte einer späten Einsicht.

Erika Pluhar war seit ihrer Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar bis 1999 Schauspielerin am Burgtheater in Wien. Sie textet und interpretiert Lieder, hat Filme gedreht und Bücher veröffentlicht, darunter 'Marisa, Rückblenden auf eine Freundschaft' (1996), 'Am Ende des Gartens, Erinnerung an eine Jugend' (1997) und die Romane 'Matildas Erfindungen' (1999) und 'Ein Fisch lernt fliegen' (2000). 'PaarWeise' (2007) war ihr erstes Buch im Residenz Verlag. Seither erschienen ihr Roman 'Er' (2008) und ihre gesammelten Lieder 'Mehr denn je' (2009) bei Residenz. 2009 erhält Erika Pluhar den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln.

Er rannte abwärts, zu seinem Auto zurück, das er auf dem großen Parkplatz bei der städtischen Badeanstalt abgestellt hatte. Er wußte nicht recht, warum er dann doch nicht zum Schwimmen gegangen, sondern in die umliegenden Waldungen und Weingärten hochgestiegen war. Genauso, wie er jetzt nicht wußte, warum er den Pfad zurücklief, als wäre ihm jemand auf den Fersen. Vielleicht war es auch so, vielleicht war ihm jemand auf den Fersen. Sein absehbarer Tod. Nichts Neues für ihn, es lag zwei Wochen zurück, da hatte er diesen trostlosen Befund erhalten. Aber er lebte immer noch und pflegte nicht ständig herumzulaufen wie gejagt. Warum also heute?

Jogger keuchten an ihm vorbei, den Weg hinauf. Sie musterten mit kurzen, erschöpften Blicken den Mann, der ohne dieübliche sportliche Ausrüstung und ohne zu schwitzen an ihnen vorbeilief, mit großen Schritten abwärts sprang, sich ab und zu mit einer Hand an Baumstämmen abfedernd und den Blick auf den steinigen Pfad geheftet. Emil sah, wie die Steine unter seinen Füßen zurückblieben, sich hinter ihm verloren, er sah die Vielfalt von Gestein in dieser von Ausflüglern begangenen Waldgegend, nahe der Stadt, sah sie, als würde er Steinwüsten durchqueren.

Birken begleiteten den Weg, die fasrige, weiße Rinde fühlte sich warm an. Er wich den Bäumen geschmeidig aus und hielt sich nur ab und zu kurz an einem von ihnen fest, um die Geschwindigkeit seines Laufs zu bremsen. Was seinen gesenkten Blick jedoch gefangenhielt, war die Musterung des Gesteins, Korrosionen im felsigen Erdreich, Kiesel, die neben seinen Schuhen zur Seite sprangen, feiner Sand aus zermalmtem Stein, der unter seinen Sohlen knirschte. Er wäre wohl mehrmals ausgeglitten, wenn er sich nicht elastisch bewegen würde, nach wie vor. Wenn er nicht nach wie vor seinen Körper beherrschte. Darauf war er immer stolz gewesen, auf seine Körperbeherrschung, der jede Anstrengung fremd zu sein schien. Sein Körper hatte ihm immer mühelos gehorcht. Und jetzt das, dieses Entgleiten.

Er war fassungslos gewesen, als er vom Ausmaß der Krankheit erfuhr. Ja, vor allem fassungslos. Daß sein Körper das Eigenleben gefräßiger Zellen in sich zuließ, erschien ihm als Beleidigung. Sein Körper, schlank, gut gewachsen, seit der Kindheit sportlich gestählt, verläßlich, nie krank, kaum zu ermüden, war fünfzig Jahre lang die Basis seines Vertrauens in sich selbst gewesen. Er hatte in ihm gewohnt und gelebt und ihn geliebt. Er würde ihm nie einen Streich spielen, nie von sich reden machen, ihn stets als Freund begleiten, dessen war er sich sicher gewesen. Er konnte ihn einsetzen, wo immer er wollte, und erntete niemals seinen Widerspruch. Ob bei sportlichen Höchstleistungen oder in der Liebe, nie hatte sein Körper ihn enttäuscht oder im Stich gelassen, und er hatte sich immer wohl gefühlt in diesem Männerkörper. Ja, er war immer gern der Mann in diesem und mit diesem Körper gewesen, er war stolz auf ihn. Er sah gut aus, sein Körper. Nicht, daß Emil sein Gesicht je häßlich gefunden hätte, aber auf sein Gesicht war er weniger stolz. Er beachtete es weniger. Nur flüchtig, beim Rasieren und wenn er sich vor dem Spiegel die Krawatte band, sah er es vor sich. Die kräftige Nase, die hellgrauen Augen, ein kleiner, aber, wie zu passender Gelegenheit behauptet wurde, dennoch sinnlicher Mund, ein typisches, unaufwendiges Männergesicht eben, er war damit zufrieden. Aber seinen Körper hatte er immer gern angesehen, beim Duschen oder Sonnen, nackt und auch im Sportdreß oder in der Badehose. Das Zusammenspiel der gut entwickelten Muskeln, die erstaunlich weiche und gepflegte Haut, kein Gramm Fett zuviel, keine Anzeichen von Alter, auch als er die Vierzig h