: Alois Brandstetter
: Zu Lasten der Briefträger
: Residenz Verlag
: 9783701743001
: 1
: CHF 7.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 220
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Immer beschwert sich der ortsansässige Dichter über die Postzustellung. Die Postzustellung ist unzuverlässig, sagt er, die Postzustellung ist die unzuverlässigste. Wenn das geschieht, sagt Blumauer, wenn sich der ortsansässige Dichter über die Postzustellung beschwert, dann geschieht auch folgendes: Ich beschwere mich über mein Moped. Ein anonymer Erzähler führt Klage beim Postmeister einer kleinen niederbayrischen Landpost über die Schwächen der drei Briefträger: der eine ein Trinker, der zweite ein Frauen-held, der dritte einem kulturellen Laster verfallen. Die Unzufriedenheit des Be-schwerdeführers trifft freilich auch den Fleischhauer, den Tierarzt, die Lehrer und andere - in Summe: die ganze Unzulänglichkeit der Welt.

Alois Brandstetter geboren 1938 in Pichl (Oberösterreich), lehrt als Professor für Deutsche Philologie an der Universität Klagenfurt. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Kulturpreis des Landes Oberösterreich 1980, Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig 1984, Kulturpreis des Landes Kärnten 1991, Heinrich-Gleißner-Preis (1994), Ehrenbürger von Pichl/Österreich (1998), Adalbert-Stifter-Preis und Großer Kulturpreis des Landes Oberösterreich (2005).

Lieber Postmeister, da deine drei Briefträger durch ihren besonderen Stil der Zustellung so viel für den inneren Frieden unserer Gemeinde getan haben, rate und empfehle ich dir dringend, sie für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen. Sie müßten wirklich einen Preis bekommen, wenigstens Ehrenbürger sollten sie werden. Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht, ist Ferdinand Ürdingers erster und wichtigster Ausspruch. Ruhe und Ordnung müssen herrschen, sagt Ürdinger. Und wenn ich als einfacher Briefträger etwas zur Ruhe und zum Frieden beitragen kann, dann entziehe ich mich dem natürlich nicht. Darum habe ich mit dem Karl das Stillhalteabkommen geschlossen. Das ist der ganze Sinn unseres Stillhalteabkommens. Ich sorge dafür, daß die rechte Seite friedlich und ruhig und still ist, und Karl sorgt dafür, daß sich die linke Seite friedlich und still und leise verhält. Genaugenommen ist es so, sagt Deuth, daß ich die rechte Seite nicht durch rote Wahlpropaganda reize und provoziere und daß der Ferdinand die linke Seite nicht mit schwarzer Wahlpropaganda ärgert und reizt. Jetzt ist Ruhe, sagen Deuth und Ürdinger, Stille ist Stille und Frieden ist Frieden, wie der Frieden hergestellt wird, ist dem Frieden ganz egal. Wir sind eine Koalition, sagen Blumauer, Deuth und Ürdinger, wir sind ein Team, eine Arbeitsgemeinschaft. Wir befolgen die Postulate der Kooperation, wir arbeiten in allem miteinander und nicht gegeneinander. Es ist genug Unruhe unter der Bevölkerung, vom Rundfunk und vom Fernsehen wird nicht wenig Unruhe und Friedlosigkeit in die Bevölkerung getragen, da wollen wir von der Post nicht auch noch ins selbe Horn stoßen.

Auf dem Land herrscht ein eigentümlicher Gemeinschaftsgeist. Das ist nicht auf die Briefträger beschränkt. In ähnlicher Art und Weise arbeiten etwa auch die Gendarmen zusammen. In dieser Art und Weise arbeiten die Gendarmen untereinander und auch mit der Bevölkerung oder mit bestimmten Personen aus der Bevölkerung zusamme