: Walter Müller
: Wenn es einen Himmel gibt... Trauerreden
: Otto Müller Verlag
: 9783701361946
: 1
: CHF 14,50
:
: Lebenshilfe, Alltag
: German
: 256
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Walter Müller erzählt die Lebensgeschichten von 23 Menschen, die in Salzburg und Umgebung gelebt haben und dort verstorben sind. Als Trauerredner hat er in den letzten Jahren fast 200 Reden gehalten - bei der Verabschiedung von Menschen, die, aus welchem Grund auch immer, aus der Kirche ausgetreten sind. Gläubig waren so gut wie alle, nur haben sie sich statt des Pfarrers einen Abschiedsredner am Grab, in der Trauerhalle gewünscht. Berührend, spannend, durchaus auch heiter blättern sich die Schicksale vor unserem Auge auf. Jeder Mensch ist einzigartig, ein eigener Kosmos, egal ob es sich um den langjährigen Busfahrer der Linie 'M', die 'Kordi von der Eisenbahn' oder den legendären Ober vom Café Bazar handelt. Und jeder Mensch hinterlässt seine ganz persönliche, unvergleichliche Geschichte. 'Man sollte mehr nachfragen, zu Lebzeiten...', so Müller. Ein Buch, das tröstet und den Leser anregt, auch über seine eigenen Lieben und deren Leben nachzudenken. Ein Buch über den Tod, aber besonders auch über das Leben!

Walter Müller geb. 1950 in Salzburg. Journalist, Dramaturg, Musikkritiker, Trauerredner; seit 1979 freiberuflicher Schriftsteller. Zahlreiche Literaturpreise, darunter: Ingeborg-Bachmann-Förderpreis Rauriser Förderungspreis, Georg-Trakl-Stipendium. Er veröffentlichte Prosa, zuletzt der Roman 'Kleine Schritte' und mehr als zwei Dutzend Theaterstücke, außerdem zahlreiche Essays, Drehbücher, Hörspiele. Im Otto Müller Verlag erschienen: Kleine Schritte, Roman (2010)

Hast Du was zu verzollen, Heinz Kerschbaumer?

Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Geschichtenerzählen hilft gegen die Traurigkeit.

Wenn es einen Himmel gibt, und es wird einen Himmel geben, wo auch immer sich der befinden mag, dann muss vor dem Eingang in diesen Himmel ein Fluss fließen, nicht breiter und nicht heftiger als die Saalach zum Beispiel. Und ein hölzerner Steg müsste von hier nach drüben, von der Erde in dieses Paradies führen.

Aus dem Zoll- und Grenzhäuschen an diesem Fluss könnte jetzt einer treten und mit sanfter Stimme fragen: Hast Du was zu verzollen, Heinz Kerschbaumer?

Und er?

Nichts als diesen Körper. Der hat mich tausende Kilometer begleitet, die Saalach rauf und runter, an brennheißen und an klirrend kalten Tagen, von Kleßheim bis Wolfschwang, Marzoll, Wartberg. Aber in den letzten Jahren hat er mich ziemlich im Stich gelassen.

Der Körper ist da drüben nicht wichtig, würde der freundliche Zollbeamte sagen. Den lässt Du zurück, der hat seine Schuldigkeit getan. Was also bringst Du sonst mit?

Nichts. Ich hab alles zurückgelassen. Trophäen, und ich hab etliche gehabt, immerhin bin ich ein Jäger gewesen und kein schlechter! Medaillen, Pokale vom Asphalt- und Eisstockschießen in Siezenheim, oder vom Kegeln, einen Sack voller Jazz-Kassetten, Louis Armstrong und so. Karten vom Kartenspielen. Readers-Digest-Hefte, alle persönlich gelesen, Dutzende. Soll ich sie holen, soll ich das alles holen? Dann brauch ich aber noch mindestens ein Jahr Leben!

Musst Du nicht, würde der Zollbeamte – und er könnte einen weißen Bart tragen wie der Petrus – jetzt sagen. Das ist nicht von Bedeutung da drüben, jenseits der Grenze.

Also, was bringst Du mit?

Mein Leben. Wunderschöne Jahre, ein paar sehr schwere Jahre. Glück und Enttäuschung, Lachen und Weinen. Seligkeit und Schmerzen. Zwei große Lieben in meinem Herzen. Das kann nicht jeder behaupten. Das kann einem auch keiner wegnehmen, nicht einmal der Zoll! Tausend Erinnerungen!

Also, sagt der Zöllner an der Grenze zu dieser Gegend, die