2
Der Pekari-Eber, ein gedrungenes Paket aus Muskeln, mit breitem Kopf und kleinen dunklen Augen, scharrte mit den Klauen. Er schob etwas vor sich her, schnüffelte, ließ es liegen und trampelte es beim Abwenden in den Mulch. Es war hell, blutverschmiert und hatte fünf Finger.
Die Frau, die den Notruf abgesetzt hatte, hieß Katharina Spengler. Sie war Erzieherin und verlor offenbar gerade die Kontrolle über ein Dutzend Kinder im Vorschulalter. Sanela hatte sie in der Menge bei dem verzweifelten Versuch entdeckt, ihre Schützlinge zusammenzutreiben und irgendwo ein Stück weiter weg zu versammeln.
»Machen Sie den Weg frei!«, rief Sanela. Ein paar Leute reagierten, der Rest rottete sich noch dichter vor dem Gehege zusammen. Einige hielten Handys hoch und fotografierten. Für wen? Für was? Sanela wusste, dass die Bilder Sekunden später auf ewig im Internet herumgeistern würden.
Sie schnappte dem Nächstbesten, einem jungen, dicklichen Mann mit teigiger Gesichtsfarbe, der um diese Tageszeit entweder in der Schule oder am Ausbildungsplatz zu sein hatte, sein Handy weg.
»Hallo?«, fuhr er sie an. Er trug die Uniform des Ostberliner Prekariats: Baseballkappe, Turnschuhe mit offenen, verdreckten Schnürsenkeln und eine weite, auf den Knöcheln schleifende Jeans.Moonwashed. Das war im Westen schon wieder out.
»Sie können es sich auf der Wache abholen, nachdem wir es gecheckt haben.«
»Ey, Alte …«
»Ey, Junge«, pfiff Sanela ihn an. »Ich kann auch anders. Papiere?«
Sie konnte gar nicht so schnell Hallo rufen, wie der Mann in der Menge untertauchte. Einige der Leute, die die Szene mitbekommen hatten, steckten ihre Apparate weg und suchten ebenfalls das Weite. Unschlüssig hielt sie das Handy in der Hand. Ein iPhone der neusten Generation, erst seit ein paar Wochen auf dem Markt. Wahrscheinlich hatte er es irgendwo in der U-Bahn einer verschüchterten Vierzehnjährigen weggenommen. Sie sah Sven in der Menge auftauchen.
»Auseinander bitte! Hier gibt es nichts zu sehen!«, rief er.
Sie steckte das Handy ein und wandte sich an Katharina Spengler. Eine große, kräftige Frau – zumindest in Sanelas Augen, denn sie wurde von der Erzieherin um eine Haupteslänge überragt.
»Kommen Sie. Wir suchen uns einen Platz, wo wir uns in Ruhe unterhalten können, bis die Kollegen kommen«, sagte Sanela.
Ein schnelles Protokoll, ein kurzer Blick in den Ausweis, dann wäre die Frau erlöst und könnte sich darum kümmern, ihre Schar einzusammeln und zurück in den Hort zu bringen.
»Ich hab’s gesehen!«
Ein Mädchen, fünf oder sechs Jahre alt, drängte sich zu ihnen durch. Eine kleine orientalische Märchenprinzessin. Ungestüm warf sie sich in Katharina Spenglers Arme, die das Kind an sich drückte und ihm einen schnellen Kuss auf den Scheitel gab.
»Nichts hast du gesehen, Dilshad. Wo ist Frau Kramer? Sie war doch mit der anderen Grupp