: Fernando Pessoa
: Steffen Dix
: Boca do Inferno Aleister Crowleys Verschwinden in Portugal
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104017235
: Fernando Pessoa, Werkausgabe
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 392
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
September 1930. In Lissabon treffen sich zwei Persönlichkeiten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Der für sein kapriziöses Leben berüchtigte englische Okkultist, Magier, Visionär und Dichter Aleister Crowley, und der Dichter Fernando Pessoa. Die hitzige Freundschaft endet mit dem plötzlichen Verschwinden Crowleys. Ein mysteriöser Abschiedsbrief taucht auf, der die Vermutung schürt, Crowley könne sich in Cascais bei der Boca do Inferno umgebracht haben. Ein Leichnam wird nicht gefunden, die Polizei schaltet sich ein und das Ereignis wird in der internationalen Presse verhandelt. Selbstmord, Mord - oder eine der Possen Crowleys? Steffen Dix wird die Geschichte zum ersten Mal in Dokumenten mit erzählenden Überleitungen darstellen und viele Rätsel lösen, die ins Innerste von Pessoas Werk führen.

Fernando Pessoa (1888-1935), der bedeutendste moderne Dichter Portugals, ist auch bei uns mit dem »Buch der Unruhe« bekannt geworden. Einen Großteil seiner Jugend vebrachte er in Durban, Südafrika, bevor er 1905 nach Lissabon zurückkehrte, wo er als Handelskorrespondent arbeitete und sich nebenher dem Schreiben widmete. 1912 begann seine Tätigkeit als Literaturkritiker und Essayist. Er schuf nicht nur Gedichte und poetische Prosatexte verschiedenster, ja widersprüchlichster Art, sondern Verkörperungen der Gegenstände seines Denkens und Dichtens: seine Heteronyme, darunter Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Álvaro de Campos - und er schrieb eben auch als Pessoa, das im Portugiesischen so viel wie »Person, jemand« bedeutet.

Mysterium


Wie wir bereits hörten, waren es in der Tat widrige Witterungsbedingungen vor der galizischen Küste, die dazu führten, dass dieAlcantara einige Zeit aufgehalten wurde, den Hafen von Vigo nur unter ausgiebiger Benutzung des Nebelhorns verlassen konnte und mit einer kleinen Verspätung erst am2. September, einem Dienstag, im Hafen von Lissabon einlief, wo Pessoa bereits pflichtbewusst am Kai auf den prominenten Magier aus England wartete und ihn mitsamt seiner jungen Begleitung willkommen hieß. In Crowleys Tagebuch heißt es zu diesem ersten Treffen kurz und bündig, Pessoa sei ein sehr netter Mann. Es wurden bisher leider keine Dokumente gefunden, die darüber Aufschluss geben könnten, welchen Eindruck das glamouröse wie exzentrische Paar auf Pessoa gemacht hatte. Auch die Informationen zu den Dingen, die in den nächsten Tagen geschahen, sind spärlich, bruchstückhaft und mitunter sehr zweideutig. Das Paar nahm sich zunächst ein Zimmer im erstklassigen Hotel de l’Europe unmittelbar neben dem Chiado, wo sich auch das Café A Brasileira befindet, eines der früheren Stammcafés Pessoas. Diese Gegend war schon damals mit der bescheidenen Eleganz der Rua Garrett, mit dem in der Nähe gelegenen und der Mailänder Scala nachempfundenen Opernhaus São Carlos, und mit ihren schönen Buchhandlungen der geistige und kulturelle Mittelpunkt Lissabons; er machte auf Crowley allerdings keinen großartigen Eindruck, er empfand ihn als eine sprichwörtliche Lärmhölle. Für den schlichten Glanz des Lissabonner Zentrums konnte er sich nicht erwärmen, die Stadt war für ihn verwahrlost, schlecht gepflastert, provinziell eng und langweilig, was nicht erstaunlich ist, schließlich hatte er die letzten Jahre vorwiegend in Paris, London oder Berlin verweilt. Zumindest hatte das Paar noch ein ganz zufriedenstellendes Abendessen im Hotel, eventuell sogar in Begleitung von Pessoa, es blieb aber nicht mehr lange in Lissabon und begab sich bereits am nächsten Tag ins nahe gelegene, aristokratische Estoril. Man wollte sich eher einem ungezwungenen Strandleben hingeben, als mühsam die steilen, heißen Straßen einer verschlafenen Provinzstadt hinaufzuklettern. Crowley hinterließ am darauffolgenden Mittwoch, dem Tag des Merkurs, vor seiner Abreise nach Estoril noch eine Nachricht an Pessoa und bat ihn darum, sich mit ihm in Verbindung zu setzten. Zu finden sei man in Estoril im Hotel Paris, das fast unmittelbar an einen für Crowley perfekten Strand grenzte.

Crowley an Pessoa (3091930)


Hotel Paris

Estoril

die ☿

Werter Bruder,

93.

Heute nachmittag ziehen wir um zur oben angegebenen Adresse. Wir hoffen, Sie können morgen hierherkommen und uns besuchen. Wenn Sie diesen Brief erhalten, telefonieren Sie uns, um ein Treffen zu vereinbaren; wir denken, den ganzen Tag am Meer zu sein, ungefähr vom Mittag an bis14:00 Uhr werden Sie uns sicher im Hotel erreichen.

Unabhängig der Fragen zu den Übersetzungen und Editionen habe ich mit Ihnen einige Dinge zu besprechen. Speziell handelt es sich um das Schema, wie die Arbeit des Ordens auf die Basis einer weltweit engen Organisation gestellt werden kann. Nächste Woche muß ich in Lissabon sein, wenn dasRMSP Schiff kommt, um einige Pakete in Empfang zu nehmen, und wir könnten auch Leal an diesem Tag treffen.

 

9393/93

 

Brüderlich,666.

Es wäre bei Pessoas charakteristischer Zurückhaltung verwunderlich gewesen, hätte er sich unmittelbar nach diesem Brief ins sonnige Estoril begeben, um sich erneut mit dem Paar zu treffen. Ein unmittelbares Treffen hätte den beiden sicherlich auch nicht unbedingt gepasst, schließlich hatte sich Hanni Jaeger einstweilig einen ordentlichen Sonnenbrand geholt und war noch etwas weich in den Knien. Crowley begann unterdessen auch eine Abmagerungskur, um sich von einigen überflüssigen Hüftringen befreit in Strandform zu bringen, man hatte am4. S