2. Abenteuer im Urwald
Das Gemetzel in der Papageiensaline
Mittlerweile war ich heimisch geworden in dem kleinen Dorf. Ich hatte dort neue Freunde gewonnen und fühlte mich wohl. Doch der Urwald um das Dorf versetzte mich immer noch in den größten Schrecken. Um meinerÄngste Herr zu werden und vielleicht sogar die Schönheiten des Waldes zu entdecken, beschloss ich, mich mal allein auf den Weg zu machen. Man hatte mir von einer Papageiensaline erzählt, wo sich morgens angeblich Unmengen von Papageien aufhalten, Graupapageien und auch die kleineren grünen. Ich kannte die Richtung vom Wurzelnsammeln, und außerdem ging es immer den kleinen Weg am Bach entlang. Ich könne die Lichtung gar nicht verfehlen, meinte Sangui und ließ mich unbesorgt ziehen. Ich fühlte mich glücklich und frei und genoss die Wanderung wie einen Pilgergang, spürte den Atem Gottes und würdigte die Schöpfung. Ich nahm alle Eindrücke tief in mich auf, sah die sanft bewegten Gräser, sah flauschige Mooskissen, zartes Grün, rosa und blaue Schmetterlinge, Borken, Blätter und Gräser, und hörte meinem Lieblingsvogel zu, der Oriole. Ich ahmte ihren Ruf nach und dann noch einmal, und siehe da, schließlich kam sie neugierig näher und antwortete mir: uhuhuuu. Es war ein mittelgroßer Vogel, gelb mit schwarzem Kopf. Für mich war dieses Uhuhuuu mittlerweile der typische und vertraute Dschungelruf. Er gab mir das Gefühl, im Urwald schon ein bisschen heimisch zu sein.
Ich hatte tatsächlich keine Schwierigkeiten, den Weg zu finden, und war richtig stolz auf mich, als ich den ersten Trupp Graupapageien vorbeifliegen sah. Erstaunlich, wie sie die relativ plumpen Körper mit kurzen Flügelschlägen in der Luft hielten. Ich folgte ihrem Gepfeife und Geschnalze bis in die Nähe der Saline. Der kleine Bach hatte sich verbreitert und war wunderbar klar. Dicke, rosarote, sinnlich fleischige Blüten säumten das Ufer, um ihre gelblichen Staubgefäße flatterte und summte es, ein Waran schwänzelte davon, giftig schillernde Libellen flitztenüber das Wasser.
Dann wurde das Gepfeife und Gekrächze lauter, und auf einmal tat sich ein Wunderland auf– die Papageiensaline. Umgeben von sattfarbigem Unterholz und hohen Bäumen, saßenüberall, aufÄsten, am Boden, im Schlamm und im Gras, Hunderte von Papageien, kleine grüne mit roten Schnäbeln und graue mit schwarzen Schnäbeln und langen roten Schwanzfedern. Endlich sah ich sie mal aus der Nähe, und ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Ich fand sie außerordentlich amüsant und liebenswert und obendrein ein bisschen komisch. Sie reckten die stark gebogenen Schnäbel nach oben und nach vorne, wenn sie pfiffen, kreischten und krächzten. Was konnten sie nicht alles für Laute von sich geben! Sie rangelten am Boden und turtelten, indem sie sich gegenseitig fütterten und die Hälse in die Höhe reckten.
Ich wuchs fast an einem alten Baumstamm an, damit ich bloß nicht auffiel und dieses wundervolle Schauspiel genießen konnte, ohne die Natur zu stören. Diese Saline hier sah so unwahrscheinlich ursprünglich aus, als wäre der liebe Gott mitten in der Schöpfung unterbrochen worden. Mitten im Urwald tat sich einfach diese Lichtung auf, ein offener, mit einer Art Schilfgras bewachsener Platz, der von hohen Bäumen umsäumt war. Ein alter Baumriese stand mit karg belaubtenÄsten in der Mitte. Es roch nach klarem Wasser, so wie an der See; auch die leichte Brise passte dazu. Und darüber wölbte sich ganz vorschriftsmäßig der afrikanisch glatte Himmel, diesmal satt lila eingefärbt mit orangefarbigen Sonnenfetzen hinter einer einzigen Wolke.
Da flog gerade wieder so ein kleiner, pfeifender Trupp ein, fiel auf den Boden und hoppelte auf dem unebenen Gelände herum. Das Gewatschel der Papageien bringt mich immer wieder zum Lachen. Ihre Füße sind offensichtlich zum Gehen nur schlecht geeignet; die Zehen stehen so o-beinig gegeneinander, dass ich mich an meine Mädchenzeit erinnert fühlte, wo alle Verwandten ständig versuchten, meinen Gang mit unerbetenen Ratschlägen zu korrigieren. Bis auf Tante Frieda, die selbst»über den großen Onkel« lief.
Genau diesen Tante-Frieda-Watschelgang sah ich hier in hundertfacher Ausführung vor mir. Manche Graupapageien legten sich außerdem noch schwer von einer Seite zur anderen, wenn sie den Fuß wechselten, wie betrunkene Seeleute. Direkt vor mir fiel eine Gruppe in dichtes Schilfgras ein und pickte sich dort die Samen heraus. Zwei von ihnen kletterten an den stabilen Halmen herunter, um am Boden einen sozialen Federputz vorzunehmen. Das Weibchen drehte dabei in verständlichem Stolz den leicht aufgeplusterten Hals um 180 Grad, und ich dachte, nun müsse der Kopf abfallen, so grotesk sah das aus. Aber sie wusste wohl besser als ich, was sie ihrem Hals zumuten konnte.
Das Männchen würgte irgendetwas längst Verdautes wieder hoch in den kräftigen schwarzen Schnabel, und da holte das Weibchen die Delikatesse auch schon heraus. Er würgte weiter, und sie rückte ihm gierig noch näher auf den Leib, schaute ihm starren Blicks in die Augen und pickte plötzlich fordernd in seinen Schnabel. Liebe geht eben durch den Magen, auch hier.
Er besann sich nun auf seine männliche Beschützerrolle,ruckte mit dem Kopf leicht zur Seite und warf einen Kontrollblick zu der Gruppe am anderen Ende der Lichtung. Dann ein weiterer Kopfruck zu den Gräsern … auch da war alles o.k. Sie waren so drollig, die Papageien, und die Welt war hier so offensichtlich in Ordnung, dass ich mir vorkam wie im Paradies.
Eine kleine Gruppe trank gerade aus dem seicht