: Petra van Laak
: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast) Wie ich es trotzdem geschafft habe
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426413807
: 1
: CHF 5.00
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Würden Sie einen Telefonjob im Drücker-Milieu annehmen, um Ihre vier Kinder durchzubringen? Fänden Sie es lustig, im Garten zu zelten, um den Kleinen Urlaub vorzugaukeln? Was wäre wichtiger: Ihr Cello oder Winterjacken für die Kinder? Eben noch Managergattin mit Villa am See - und im nächsten Moment bricht für Petra van Laak die Existenz zusammen Eben noch wohlhabende Managergattin, muss Petra van Laak nach Firmeninsolvenz und Trennung von ihrem Mann mit vier kleinen Kindern in eine Sozialwohnung ziehen. Wie soll sie den nächsten Einkauf bezahlen, woher Kinderschuhe bekommen? Entschlossen und verzweifelt versucht sie, ihr eigenes Leben mit den Kindern auf die Beine zu stellen. Abenteuerliche Jobangebote, hürdenreiche Wohnungssuche und absurde Begegnungen in Behörden zeigen, wie dünn der Faden ist, an dem das Mittelschichtsleben hängt Mit Schlagfertigkeit und einem großen Sinn für Komik meistert Petra van Laak abenteuerliche Jobangebote, die hürdenreiche Wohnungssuche und absurde Begegnungen in Behörden.

Petra van Laak, geboren 1966, verbrachte ihre Kindheit in Nigeria, wo ihre Eltern als Entwicklungshelfer tätig waren. Sie studierte Kunstgeschichte in Münster und Berlin und lebt heute als alleinerziehende Mutter von vier Kindern und erfolgreiche Unternehmerin in Potsdam. 2010 und 2013 gewann sie den Swiss Text Award, 2014 den 1. Preis beim Literarischen Wettbewerb des Waldorf Astoria Berlin. Darüber hinaus wurde Petra van Laak zur Unternehmerin des Landes Brandenburg 2014 gekürt. Mehr über die Autorin erfahren Sie unter: www.petravanlaak.de

Wunschkandidatin


Wenn man verzweifelt versucht, das Leben, die Finanzen, eine Arbeit in den Griff zu kriegen, ist man leichte Beute für skrupellose Menschen. Mit feinen Antennen spüren sie die Hilflosigkeit beim anderen und suchen auf ausgesprochen freundliche Weise die Nähe zu denen, die unter erheblichem Druck stehen.

Ich bekam einen Anruf von einem Herrn, der mich mit »Guten Abend, Frau van Laak, wie schön, dass ich Sie gleich am Telefon habe« begrüßte. Wie schön, dass er mich überhaupt erreichte, denn drei Wochen später waren auch eingehende Anrufe über unseren Telefonanschluss nicht mehr möglich.

Der Mann stellte sich als Abteilungsleiter eines großen Versicherungsunternehmens vor. Die Stimme klang zugewandt und vernünftig, in wenigen Sätzen hatte er mir erklärt, dass sein Unternehmen mich im Rahmen der Personalentwicklungsoffensive gezielt anspreche. In ihren Augen sei ich eine geeignete Kandidatin, komplexe, erklärungsbedürftige Versicherungsprodukte an bestehende Kunden, vor allem junge Familien, zu verkaufen. Die Provisionen seien erfolgsabhängig und würden sehr hoch ausfallen. Ob wir uns einmal kennenlernen wollten?

»Woher haben Sie denn meinen Namen und meine Nummer?«

»Frau van Laak, das darf ich Ihnen noch nicht sagen, es handelt sich um eine Empfehlung.«

»Wer hat mich denn empfohlen?«

»Frau van Laak, bitte haben Sie Verständnis, die Person wollte nicht genannt werden, war sich aber sicher, dass Sie genau in unser Anforderungsprofil passen und unserem guten Angebot gegenüber aufgeschlossen seien.«

Wer wusste von unseren Verwicklungen? Wir versuchten alles, um die brüchige Wahnsinnswelt, in der wir uns zappelnd bewegten, vor allen anderen zu verheimlichen.

Das war kein blinder Aktionismus, der meinen aktuellen Alltag prägte, sondern pure Überlebensstrategie. Wäre ich zuvor im Denken und Handeln selbständiger gewesen, hätte ich die monetäre und persönliche Pleite erstens eher kommen sehen und daher bessere Vorkehrungen treffen können und zweitens mit größerer Entschiedenheit das Schlimmste von den Kindern und mir abgewendet. Hätte, hätte, hätte – den Konjunktiv gewöhnte ich mir schnell ab.

Mit kühlem Kopf und flatterndem Herzen leitete ich sofort das Nötigste in die Wege: Wechsel der Krankenkasse, Anträge auf Ermäßigung beim Kindergarten und der Schule. Bitten um Aufschub bei der Begleichung von Telefon-, Gas-, Wasser-, Stromrechnungen. Kündigen sämtlicher Abonnements, sogar Abmeldung der Papier- und Wertstofftonne. Musikschule, Sportverein, Kinderballett, Malkurs – alles musste abgestellt werden. Die wöchentliche Lieferkiste mit Bio-Gemüse und Frischmilch? Weg damit. Einkaufen bei Kaisers? Die nächsten fünf Jahre sollte ich keinen Fuß mehr in diesen Supermarkt setzen. Aldi war angesagt, und dort konnte ich auch nur das Nötigste einkaufen. Die nächsten Friseurtermine? Konnte ich knicken. (Ich wurde dann halt Haar-Modell für die Azubis, um kein Geld fürs Haareschneiden mehr ausgeben zu müssen. Allerdings fielen mir nach einigen Monaten vor lauter Stress die Haare in Büscheln aus, so dass ich als Übungsobjekt nicht mehr in Frage kam. Die neue Friseurin, zu der ich später ging, fragte mich bei meinem ersten Besuch teilnahmsvoll, ob ich die Chemo gut vertragen hätte.)

Wie kam der Herr am Telefon nun gerade auf mich? Hatte da jemand, der von meiner misslichen Lage etwas mitbekommen hatte, dem Unternehmen einen Tipp gegeben? Das wäre ja nett, aber warum gab dieser Jemand seinen Namen nicht preis?

Während ich noch zwischen Misstrauen und Freude über die Empfehlung schwankte, sortierte ich schnell die in Frage kommenden Personen im Kopf. Aus dem Kontext der Schule? Nein, dort waren alle peinlich berührt vom Lauf der Dinge. Gemeinde? Niemand wusste es, vielleicht ahnte die Gemeindereferentin etwas; die hatte zwar einen guten Draht zum lieben Gott, ganz bestimmt jedoch nicht zur Versicherungswirtschaft. Eine Freundin? Hätte sie mir gesagt. Wollte einfach jemand, dass ich endlich den Spr