: Platon
: Ernst Heitsch
: VII 1 Größerer Hippias Übersetzung und Kommentar
: Vandenhoeck& Ruprecht Unipress
: 9783647304175
: 1
: CHF 62.00
:
: Philosophie
: German
: 145
: Wasserzeichen/DRM
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Das Adjektiv »größer« im Titel bezieht sich auf den Umfang, verglichen mit einem kleineren Dialog desselben Namens. Der unbekannte Autor wird Platon (427-347) und Aristoteles (384-322) noch gekannt haben und gewährt uns mit seiner Schrift einen Blick in das Leben und den Unterrichtsbetrieb der frühen Akademie. Sokrates und der renommierte Gelehrte Hippias aus Elis führen in der ersten Hälfte des Dialogs ein Gespräch über die Frage, was eigentlich das Schöne sei: Hier orientiert sich der Autor für den Gesprächsstil im Wesentlichen an den früheren Dialogen Platons. Die zweite Hälfte, vor allem mit den Ausführungen über distributive und kollektive Eigenschaften, spiegelt eher die Diskussionen über Probleme, wie sie seinerzeit in der Akademie aktuell waren.

Dr. Ernst Heitsch ist em. Professor für Klassische Philologie an der Universität Regensburg.
"Erläuterungen 281a–286c3 (S. 42-43)

Einleitung


281a–283b3. Hippias und sein Gewerbe. Der Autor läßt Sokrates das Gespräch nicht mit einer Anrede beginnen sondern mit einer Feststellung:„Da ist Hippias, hübsch und intelligent“ (Ἱππίας,ὁκαλόςτεκαὶσοφός). Sie variiert hier offenbar die feste Bezeichnung für das Ideal des perfekten Mannesκαλόςτεκαὶἀγαϑός13. Und daß Hippias (spätes 5. Jh. v.Chr.) tatsächlich vollkommen ist, wird Sokrates in seinem nächsten Satz bestätigen:τέλειος. Mit dem zweiten Wort des Textes aber fällt sofort das Stichwort für das Thema des Dialoges, der nach insgesamt acht vergeblichen Versuchen zu bestimmen, was das Schöne ist, mit dem resignierenden Hinweis auf das Sprichwort schließt:„Schwer ist, was schön ist“ (304e8χαλεπὰτὰκαλά)14.

Ähnlich dem deutschen Wort‚schön‘ hat auchκαλός einen weiten Anwendungsbereich. Der mögliche Wechsel der Gesichtspunkte, unter denen das Wort gebraucht wird, und das Nebeneinander vonäußerer und innerer Qualität spiegelt sich kaum irgendwo so gut wie in der Wendungκαλὸςκαὶἀγαϑός. In ihr meintκαλός ursprünglich zweifellos dieäußere Qualität der optischen Erscheinung.

Doch im Laufe der Zeit gewinnt diese Wendung die Neigung, den Begriff der Vollkommenheit zu bezeichnen und dabei die Konnotation der optischen Schönheit zu verlieren. Daher kann denn Platon im Protagoras seinen Sokrates den jugendlichen Agathon so charakterisieren lassen:ὡςμὲνἐγὦιμαικαλόντεκἀγαϑὸντὴνφύσιν,τὴνδ᾽οὖνἰδέανπάνυκαλός (315d„er hat nach meiner Einschätzung treffliche Anlagen, jedenfalls ist er aber ausnehmend schön“.Übers. Manuwald); der Hinweis auf die Schönheit der optischen Erscheinung muß also eigens wiederholt werden, da sie durch das ersteκαλόν nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen ist.

Und im Theaetet korrigiert Sokrates den Mathematiker Theodoros, der seinen Schüler Theaitetos hochbegabt, aber fast so häßlich wie Sokrates genannt hatte (143e), indem er im anschließenden Gespräch dem Jungen versichert, er seiκαλός und nicht, wie sein Lehrer behauptet habe, häßlich,„denn wer so gescheit diskutiert, der ist schön und gut“ (Theaet. 185eὁγὰρκαλῶςλέγωνκαλὸςκαὶἀγαϑός). Bevor nun dieses Wort zu Beginn des Hauptteils ausdrücklich zum Thema der Diskussion gemacht wird (286a1τίἐστιτὸκαλόν;), wird es in der Einleitung scheinbar beiläufig schon mehrmals und zwar unterschiedlich verwendet.

Während dieübrigen Belege sich imüblichen Rahmen halten,16 verlangt die merkwürdige Formulierung in 282d6 (οὐ-δὲνγάροἶσϑατῶνκαλῶνπερὶτοῦτο) eine Erläuterung17. Dafür zunächst ein Blick auf den Kontext. Der Autor hat Sokrates das Gespräch bis zur These führen lassen, der Fortschritt, den die verschiedenen Gewerbe gegenüber früheren Zeiten gemacht haben, dokumentiere sich auch und besonders in den Summen, die ihre heutigen Vertreter verdienen.

Und Sokrates nennt von den Sophisten18 Gorgias, Prodikos und Protagoras (282b-d) als Beispiel dafür, welche Honorare Koryphäen heute fordern können und auch erhalten, während die Früheren gar nicht daran gedacht hätten, sich für ihren Unterricht bezahlen zu lassen19. Hippias entgegnet, so könne Sokrates nur reden, weil er nicht Bescheid wisse. Sonst wüßte er nämlich, daß er, Hippias, durch seinen Unterricht bedeutend höhere Summen als die Genannten erworben habe. Stellt man den fraglichen Satz in diesen Kontext, dann liegt am nächsten die Vermutung, er müsse so etwas wie„So redest du. Denn das Wichtigste kennst du gar nicht“ meinen. Man erwartet also eigentlich einen Superlativ."
Front Cover1
Title Page4
Copyright5
Inhalt6
Vorwort8
Übersetzung12
Kommentar40
Gliederung des Textes und der Erläuterungen42
Erläuterungen43
Eine konkurrierende Interpretation des Textes 302b5–303d10 von Franz von Kutschera103
Appendizes112
I Verfasser und Datierung112
II Fingierte Autorität126
III Sokrates und Typhoeus132
IV Eduard Zeller über den Grösseren Hippias134
V Zum Text137
Literaturverzeichnis138
Register142
1. Stellen142
2. Personennamen144
3. Sachen145
4. Griechische Wörter145
Back Cover150