1. KAPITEL
Aimee Payet liebte Schokolade.
Sie liebte den weichen Schmelz, die fein abgestimmte Süße, die himmlisch zarte Konsistenz, wenn sie köstliche Kunstwerke fürPayet’s Patisserie schuf, ihre Konditorei, die sie seit dem Tod ihrer Eltern vor zwei Jahren erfolgreich führte.
Heute jedoch konnte selbst Schokolade die unheilvolle Ahnung, die wie eine dunkle Sturmwolke über ihr hing, nicht vertreiben. Bestimmt zum fünfzigsten Mal in der letzten Stunde sah sie auf ihre Armbanduhr.
Der Druck in ihrem Magen verstärkte sich, je näher der Feierabend rückte. Jed hatte eine Nachricht hinterlassen, dass er um sechs hier sein wolle. Falls er sich nicht geändert hatte, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten, müsste er absolut pünktlich sein.
„Aimee?“
Im selben Moment, als sie ihn ihren Namen sagen hörte, schrumpften fünf lange Jahre zusammen. Seine tiefe Stimme klang schmerzlich vertraut und machte sie atemlos.
Nein, so sollte es nicht sein! Sie hatte ihre Gefühle im Griff, immer nach vorn gesehen und für sich und Toby ein Leben aufgebaut. Ein Leben, in dem für Jed Sanderson, ihre erste Liebe – ihre verflossene Liebe –, kein Platz war. Weil sie ihn nicht brauchten, nie gebraucht hatten.
Bis jetzt.
Mit einem gezwungenen Lächeln drehte sie sich zu ihm um. „Hi, Jed. Danke, dass du gekommen bist.“
Sie hörte ihre eigenen Worte wie durch dichten Nebel – ähnlich dem, der gelegentlich von der Port-Phillip-Bucht herüberwaberte und sich über Melbourne legte.
„Ist alles in Ordnung?“
Nein, wollte sie schreien, gar nichts ist in Ordnung, und wenn ich dir erst die Wahrheit gesagt habe, wird nichts wieder so sein wie vorher.
Aimee versuchte sich zu konzentrieren, als sie die Besorgnis in seinen hellbraunen Augen las.
Augen, deren Farbe sie an warmen Karamell erinnerte.
Augen, in denen sie sich vor Jahren schon beim ersten Blick verloren hatte.
Augen, die sie zornig ansehen würden, sobald sie ihm von Toby erzählte. Und dem Grund, weshalb sie ihn hergebeten hatte.
„Mir ging es schon mal besser