Nicht zufällig gab es in Deutschland, anders als etwa in England, Frankreich oder denUSA, keine bürgerliche Revolution. »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit«, in Gestalt der parlamentarischen Demokratien von Weimar und Bonn, waren das Ergebnis verlorener Kriege.Duckmäuser undRadfahrer sind ebenso Attribute der Deutschen wieHerdentiere, Vereinsmeier oderDenunzianten.
Im Jahre1918 erschien Heinrich Manns bereits1914 fertiggestellter RomanDer Untertan, in dem anhand eines Fabrikanten namens Diederich Heßling ein gewisser Typ Mensch in der damaligen deutschen Gesellschaft skizziert wird: obrigkeitshörig, feige, ohne Zivilcourage, Mitläufer, Konformist, Stammtischagitator und tyrannisches Familienoberhaupt. Heßling wird einerseits als launischer Despot dargestellt, dem die Hierarchie der Gesellschaft des wilhelminischen Kaiserreichs zur Macht verhilft, andererseits als Untertan, der von der Zugehörigkeit zu einem unpersönlichen Ganzen geprägt ist und unter ihm leidet.
1951 wird der Roman von Wolfgang Staudte mit Werner Peters in der Hauptrolle verfilmt. Beide, Regisseur und Hauptdarsteller, erhielten dafür den Nationalpreis derDDR. Staudtes Film wurde in der Bundesrepublik der Adenauer-Ära bezeichnenderweise erst1956 und auch dann nur in einer um11 Minuten gekürzten Fassung freigegeben. Erst etwa dreißig Jahre später wurde er auch ungekürzt gezeigt.1971 schließlich produzierte derWDR denUntertan als349 Minuten langes Hörspiel mit dem legendären Schauspieler Heinz Drache (»Edgar Wallace«, »Tatort«) als Heßling.
Nicht erst seit dem Hit »Ein ehrenwertes Haus« (1974) des gefühlten Deutschen, aber Österreichers Udo Jürgens ist klar, dass die feigen Duckmäuser und Intriganten in Deutschland keinesfalls ausgestorben sind.
Unvergessen ist der frenetische Applaus der Einwohner von Hoyerswerda für die faschistischen Banden, die im September1991 Jagd auf Asylbewerber machten und ein Asylantenheim überfielen. Hier erschien der Übergang der Biedermänner zu den Neonazis besonders fließend.
Denn nicht nur Skinheads oder Neonazis, sondern auch viele »anständige Bürger« rotten sich gern zusammen, um über sozial schwächere Mitbürger zumindest verbal herzufallen, und sei es auch nur an den berüchtigten »Stammtischen«. Obwohl bezeichnenderweise der militante Ausländerhass vorwiegend in Regionen auftritt, deren Einwohner zum Teil noch nie einen leibhaftigen Ausländer gesehen haben, kann Xenophobie – die Angst vor allem und allen Fremden – hier keine Ausrede sein. Es handelt sich vielmehr um feigen Abschaum und die nicht weniger feigen und verachtenswerten Sympathisanten.
Ebendiese Mitmenschen aber schleimen sich bei der »Obrigkeit« ein und kuschen vor ihr: Das kann der uniformierte (!) Beamte ebenso sein wie der »Herr Papa«, der Adlige »von und zu« ebenso wie der »Herr Doktor« oder die Frau Landtagsabgeordnete.
Inwieweit dieses Duckmäusertum aus der Nazizeit, aus dem wilhelminischen Reich des19. Jahrhunderts oder aus noch früheren Epochen von Generation zu Generation weitergereicht wurde, sei dahingestellt. Zu beobachten ist jedenfalls, dass beileibe nicht nur ältere Menschen ein ausgesprochen gestörtes Verhältnis zur Demokratie und ihren eigenen Rechten haben. So macht es für viele Untertanen keinen Unterschied, ob sie vor Gericht als Zeuge oder als Angeklagter auftreten sollen, und erst recht nicht, ob ihnen im Zivilprozess der Anwalt der Gegenseite droht oder ein ordentliches Gericht ein Urteil verkündet. Man will mit der Justiz