: Erik Heintz, Severin Groebner, Christian Moser
: Der Hypochonder Ein Handbuch für alle, die gerne leiden.
: Südwest
: 9783641038915
: 1
: CHF 6.20
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: Humor, Satire, Kabarett
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von Aua bis Zipperlein in nicht alphabetischer Reihenfolge
Diese Situation kennt fast jeder: Man steht in der Schlange an der Supermarktkasse und jemand hustet einem ungebremst in den Nacken. Für manchen ist das Grund genug zur Panik: die feuchten Tröpfchen, prall gefüllt mit bedrohlichen Erregern und gefährlichen Krankheitsüberträgern, werden jetzt langsam mit jedem Atemzug in den eigenen Körper kriechen und uns schwer krank machen. Oder die erste Nacht im Hotelzimmer: wo tummeln sich die gefährlichen Keime...?! Warum googeln wir eigentlich nur allzu gerne bedrohliche Krankheiten oder vergnügen uns an seltenen Krankheiten in unserem Gesundheitslexikon.
Dr. med. Erik Heintz weiß es: tief im Herzen sind wir alle Hypochonder - nur eben mal mehr und mal weniger ausgeprägt. In einem gnadenlosen Balanceakt zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und Unterhaltung klärt Dr. Heintz den Leser über das Wesen des Hypochonders auf. Der Autor entlarvt die Besorgnis um die eigene Gesundheit als eine völlig normale Urangst und zeichnet gekonnt humorvoll die Grenzen zur wahren Hypochondrie. Ihm zur Seite stehen in diesem Buch der vielfach ausgezeichnete Wiener Kabarettist Severin Gröbner und der renommierte Münchener Comiczeichner und Illustrator Christian Moser

Der 1969 in Wien geborene Severin Groebner begann seine Bühnenkarriere 1993. Die ersten Auftritte bestritt er gemeinsam mit dem Pianisten Klaus Gröll in diversen Kaffeehäusern Wiens. Mittlerweile lebt er in München und feiert Erfolge als Solokabarettist.
07.1 Willkommen in der WG! (S. 71-72)

Bevor wir uns den Bewohnern der wilden Wohngemeinschaft der autonomen somatoformen Störungen widmen, möchte ich kurz ein wenig ausholen und erklären, was in Bezug auf unseren Körper mit autonom eigentlich gemeint ist.

Unser Körper wird grob gesprochen von zwei verschiedenen Nervensystemen„regiert": Auf der einen Seite haben wir eben das autonome oder auch vegetative Nervensystem (VNS). Es ist gewissermaßen der Chef der unwillkürlichen automatischen Steuerung von Körperfunktionen und -reaktionen. Die lebenswichtigen Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Verdauung und Stoffwechsel, aber auch bestimmte Sexualfunktionen und zum Beispiel die Schweißdrüsen unterstehen seinem Befehl.

Ein Großteil der Steuerung folgt biologisch festgelegten Mustern, eine willkürliche Kontrolle ist nur schwer und wenn, dann meistens nur indirekt möglich.37 Das vegetative Nervensystem selbst besteht wiederum aus zwei direkten Gegenspielern: Dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Der Sympathikus ist für alles zuständig, was man unter die Oberbegriffe Sport& Spannung oder Kämpfen& Flüchten (engl. Fight& Flight) packen könnte. Der Parasympathikus, der Gemütliche von beiden, regelt alles, was mit Entspannung, Schlaf und der Verdauung zu tun hat.

Ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung der beiden Wirkweisen: Dass das Sexualverhalten des Mannes in großen Teilen vom autonomen Nervensystem gesteuert wird, ist sicher sowohl von direkt als auch indirekt Betroffenen nachvollziehbar. Die Erektion des Penis ist dabei kurioserweise ein Werk des Parasympathikus. Um die für die Erektion notwendige Menge Blut in die Schwellkörper des Penis zu bekommen, müssen die zuführenden Blutgefäße erst einmal erschlaffen. Der Samenerguss hingegen wird vom Sympathikus gesteuert („Yippeh-a-Yeah!"). Die wohlige Entspannungsphase danachübernimmt dann wieder der Parasympathikus ("Gute Nacht, Schatz"). Das erklärt doch vieles...

Sympathikus und Parasympathikus - wer macht was? Zugegebenermaßen etwas anti- bzw. postklimakterisch müssen wir der Vollständigkeit halber das somatische Nervensystem erwähnen: Ihm unterstehen die bewusste Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen innerhalb und außerhalb des Körpers sowie die willkürliche Steuerung der Körperbewegungen und der Nachrichtenverarbeitung (Denken und so...). 

Nun aber zurück zu unseren WG-Bewohnern. Eine autonome somatoforme Störung liegt dann vor,- wenn bestimmte organspezifische autonome Symptome auftreten (zum Beispiel Herzklopfen oder Herzstolpern), die der Betroffene eindeutig auf die Erkrankung eines Organs (in diesem Fall also das Herz) bezieht. Diese Symptome sind objektivierbar, das heißt sie sind tatsächlich da, nicht eingebildet und auch für einen anderen Menschen sichtbar.