: Barbara Wood
: Kristall der Träume Roman
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104002385
: 1
: CHF 10.00
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: German
: 560
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine große Saga voller Abenteuer und Spannung von der Bestsellerautorin Barbara Wood. Ein magisch schimmernder Kristall, aus Sternenstaub entstanden: Über Generationen wird er weitergegeben, und es sind Frauen, die mit dem Kristall wagen, ihren Träumen zu folgen. Von den Savannen Afrikas zu den Arenen Roms, von Klöstern zu den Serails Arabiens und den Trecks im Wilden Westen gelingt es ihnen, ihren Weg zu finden - bis in die heutige Zeit.

BARBARA WOOD ist international als Bestsellerautorin bekannt. Allein im deutschsprachigen Raum liegt die Gesamtauflage ihrer Romane weit über 14 Millionen, mit Erfolgen wie ?Rote Sonne, schwarzes Land?, ?Traumzeit?, ?Kristall der Träume? und ?Dieses goldene Land?. 2002 wurde sie für ihren Roman ?Himmelsfeuer? mit dem Corine-Preis ausgezeichnet. Barbara Wood stammt aus England, lebt aber seit langem in den USA in Kalifornien. Literaturpreise: u.a. Corine-Leserpreis 2002

ZWEITES BUCH

Der Nahe Osten


Vor35000 Jahren

Noch nie zuvor hatten sie Nebel gesehen.

Unendlich weit von ihrer Heimat entfernt und hoffnungslos verirrt, hielten die verängstigten Frauen den weißen Nebel für einen bösen Geist, der sich auf leisen Sohlen in die Wälder stahl, die Flüchtlinge von der übrigen Welt abschnitt und sie in einem stillen, konturlosen Reich gefangen hielt. Im Laufe des Nachmittags würde sich der Nebel etwas lichten und ihnen einen kurzen Blick auf ihre unmittelbare Umgebung erlauben, um dann des Nachts, wenn die Sterne herauskamen, heimlich zurückzukommen und die Frauen ein weiteres Mal einzuschließen.

Der Nebel war indes nicht die einzige Bedrohung in diesem unbekannten neuen Land, das Laliaris Stamm seit Wochen durchwanderte. Überall steckten Geister – im Verborgenen, namenlos und Furcht einflößend, deshalb hielten sich die Frauen dicht beieinander. Der feuchte Nebel ließ sie in ihren Grasröcken frösteln, die in ihrem heimatlichen warmen Flusstal als Bekleidung gereicht hatten, hier jedoch, in dieser unwirtlichen Gegend, in die sie hatten fliehen müssen, kaum Schutz vor der Kälte boten.

»Sind wir alle tot?«, flüsterte Keeka und drückte ihr schlafendes Baby fester an die Brust. »Sind wir mit den Männern im zornigen Wasser ertrunken und jetzt Geister? Ist esso, wenn man tot ist?« Sie meinte damit ihr blindes Herumirren im dichten Nebel, ihre hohl klingenden Stimmen und ihre dumpfen Schritte. Als ob sie durch ein Totenreich wanderten. Zumindest mussten sie wie Gespensteraussehen, sagte sich Keeka beim Anblick ihrer Begleiterinnen, wie sie sich vorsichtig durch den dichten Nebel tasteten: barbrüstige Frauen mit hüftlangen Haaren, die Körper über und über mit Muscheln, Knochen und Elfenbein behängt, Bündel von Tierhäuten auf den Schultern verzurrt, die Fäuste um mit Steinspitzen bewehrte Speere geklammert. Nur ihre Gesichter wirkten nicht wie die von Geistern, fand Keeka. Ihre vor Angst geweiteten Augen waren noch menschlich.»Sind wir tot?«, wiederholte sie im Flüsterton.

Keeka bekam keine Antwort von ihrer Cousine Laliari, die, von tiefer Trauer erfüllt, nicht zu sprechen vermochte. Denn schlimmer noch als der bedrohliche Nebel, die Kälte und die unsichtbaren Geister war der Verlust ihrer Männer.

Dorons dunkler Haarschopf, der im tosenden Wasser verschwand. Sie versuchte sich den geliebten Doron vor der Tragödie vorzustellen – jung, bartlos, von schlankem Wuchs –, ein tapferer Jäger, der abends friedlich am Lagerfeuer saß und Elfenbein schnitzte. Doron lachte viel und erzählte gerne Geschichten. Auch hatte er im Gegensatz zu den anderen Männern eine Engelsgeduld mit Kindern. Er ließ sie nicht nur auf seinen Schoß klettern, er freute sich sogar und lachte darüber (wurde aber vor Verlegenheit rot, wenn man ihn dabei ertappte). Am schmerzlichsten war Laliaris Erinnerung an Dorons lustvolle Umarmung des Nachts, wie er danach die Arme um sie geschlungen einschlief