Kapitel 2
Das Schwert und die Pistole
Simonetta di Saronno saß in ihrem großen Sonnenfenster. Von den hohen Fensterflügeln umrahmt, wirkte sie wie ein Engel von einemRetabel, den Altarbildern aus der Kirche. Den Bürgern von Saronno kam dieser Gedanke oftmals, denn sie saß jeden Tag dort und sah mit leerem Blick auf die Straße hinunter. Die Villa Castello, ein quadratisches, vornehmes Haus, lag in majestätischer Einsamkeit etwas außerhalb der Stadt. Es war, wie man so sagte,passeggiata lunga ma cavalcata corta – ‹ein langer Marsch, aber ein kurzer Ritt›. Die Villa war dort errichtet worden, wo sich die lombardische Ebene langsam zu den Bergen emporschwang, nur so weit erhöht, dass man von dem Haus einen Blick über die kleine Stadt hatte und dass die Leute vom Marktplatz der Stadt aus das Haus sehen konnten. Mit seinem Verputz in der Farbe eines roten Hummers, seinen eleganten Säulengängen und den vornehmen, hohen Fenstern wurde es vielfach bewundert und hätte Neid erwecken können – wenn seine großen Tore nicht jederzeit allen offen gestanden hätten. Die Händler und Bittsteller, die sich auf dem langen, gewundenen Pfad durch die üppigen Gärten und Parks der Tür näherten, hörten von den Bediensteten stets – und darin waren sich alle einig –, wie großzügig ihre Herrin und ihr Herr waren. Tatsächlich konnte man in der Villa die Saronnos selbst symbolisiert sehen; nahe genug an der Stadt, um ihre Verpflichtungen als Feudalherren zu erfüllen, und zugleich weit genug entfernt, um sich von ihr abzusondern.
Simonettas Flügelfenster konnte man schon von der Straße nach Como sehen, die sich als unbefestigte Bahn zu den schneebedeckten Bergen und den spiegelnden Seen emporschlängelte. Die Gemüseverkäufer und die Warenhändler, die Hausierer und die Wasserträger, alle sahen die Dame in ihrem Fenster, Tag für Tag, wenn sie zu ihren Geschäften unterwegs waren. In früheren Zeiten hätten die Leute darüber vielleicht einen Scherz gemacht, doch diese Zeiten der Fröhlichkeit waren vorbei. Zu viele Männer waren in einen der zahlreichen Kriege gezogen und nicht mehr zurückgekommen. Kriege, die kaum etwas mit ihrer Lombardei zu tun zu haben schienen, sondern eher mit den größeren Zielen und den niedrigen Beweggründen hochgestellter Herren – mit dem Papst, dem König von Frankreich und dem machtgierigen habsburgischen Kaiser. Ihre kleine, prosperierende, safranfarbene Stadt Saronno, die zwischen den städtischen Herrlichkeiten von Mailand und der silbrigen Gewaltigkeit der Berge lag, hatte sehr unter den Auseinandersetzungen gelitten. Söldnerstiefel hatten die schönen Pflaster der Piazza abgelaufen, und stählerne Steigbügel hatten Stücke aus dem weichen Stein an Häuserecken geschlagen, als die Reiterarmeen von Frankreich und aus dem Kaiserreich in einem Sturm falschen Gerechtigkeitsempfindens durchgezogen waren. Daher wussten die guten Leute von Saronno, worauf Simonetta wartete, und obwohl sie eine hochgestellte Dame war, verspürten sie Mitleid für sie und ihr menschliches Empfinden, das sie mit allen Müttern, Frauen und Töchtern der Stadt teilte. Sie bemerkten alle, dass Simonetta, sogar als der Tag gekommen war, den sie so sehr gefürchtet hatte, weiter im Fenster saß, Tag und Nacht, und seine Rückkehr erhoffte.
Über die Witwe von der Villa Castello, denn das war sie nun, wurde viel geredet in der Stadt. Die alten, goldf