: Val McDermid
: Echo einer Winternacht Thriller
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426555729
: Karen Pirie
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 576
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der erste Cold Case für DCI Karen Pirie: ein psychologisch ausgefeilter und atmosphärisch dichter Krimi von Bestseller-Autorin Val McDermid Eine eisige Winternacht im schottischen Universitätsstädtchen St. Andrews, 1978: Im dichten Schneetreiben wollen vier Studenten auf dem Heimweg von ihrer Stammkneipe eine Abkürzung nehmen - und stolpern auf dem alten keltischen Friedhof über die blutüberströmte Leiche der Kellnerin Rosie Duff. Obwohl ihnen die Polizei nichts nachweisen kann, geraten Alex Gilbey und seine Freunde unter Mordverdacht, der Fall bleibt ungelöst. 25 Jahre später ist die junge Polizistin Karen Pirie für Cold Cases zuständig und rollt den Fall Rosie Duff wieder auf. Zeitgleich kommen kurz hintereinander zwei der vier Verdächtigen von damals auf mysteriöse Weise ums Leben. Alex Gilbey glaubt nicht an einen Zufall - er muss schnellstens herausfinden, wer es auf die Freunde abgesehen hat, bevor er selbst das nächste Opfer wird ... Die schottische Bestseller-Autorin Val McDermid beweist auch mit »Echo einer Winternacht«, dass sie »eine Meisterin ihres Fachs ist« (NDR). Wie in den anderen Bänden der Krimi-Reihe mit Karen Pirie wird ein Verbrechen in der Gegenwart mit einem Cold Case verknüpft, der weit in die Vergangenheit zurückweist. »Ein packendes und intelligentes Krimi-Drama rund um die Themen Freundschaft, Schuld und Moral.« SPIEGEL SPEZIAL Die Krimi-Reihe mit DCI Karen Pirie ist in folgender Reihenfolge erschienen:• Echo einer Winternacht• Nacht unter Tag• Der lange Atem der Vergangenheit• Der Sinn des Todes• Das Grab im Moor

Val McDermid ist eine internationale Nr. 1-Bestsellerautorin, deren Bücher in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden. Ihre mehrfach preisgekrönten Thrillerserien und Einzelromane wurden für Fernsehen und Rundfunk adaptiert - etwa die Serie Hautnah - Die Methode Hill mit dem Profiler Dr. Tony Hill und DCI Carol Jordan. Die TV-Serie um die schottische Cold Case-Ermittlerin Karen Pirie ist international mit großem Erfolg gestartet. Val McDermid war 2017 Vorsitzende des Wellcome Book Prize und Jurorin für den Women's Prize for Fiction und den Man Booker Prize 2018. Sie ist Trägerin von sechs Ehrendoktorwürden, außerdem Honorary Fellow des St Hilda's College in Oxford. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehören der CWA Diamond Dagger für ihr Lebenswerk und der Theakstons Old Peculier Award für 'Outstanding Contribution to Crime Writing'. Im Jahr 2024 wurde ihr der Radio Bremen Krimipreis verliehen. Mehr über die Autorin unter www.val-mcdermid.de

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1978, St. Andrews, Schottland

Es war vier Uhr morgens, mitten im Dezember. Vier verschwommene Schatten schwankten im Schneesturm, den der Nordostwind nach Lust und Laune vom Ural her über die Nordsee trieb. Stolpernd folgten die acht Füße der jungen Männer, die sich selbst die »Laddies fi’ Kirkcaldy« nannten, dem ihnen vertrauten Pfad. Sie hatten die Abkürzung über Hallow Hill gewählt, um zum Fife Park zu kommen, dem modernsten der zur Universität St. Andrews gehörenden Wohnheime, wo ihre permanent ungemachten Betten mit zerwühlten Laken und auf den Boden hängenden Decken auf sie warteten.

Das Gespräch ging um Dinge, die ihnen genauso vertraut waren wie der Weg. »Ich sag dir, Bowie ist der King«, nuschelte Sigmund Malkiewicz laut, und sein sonst meist unbewegtes Gesicht war nach den vielen Drinks entspannter. Ein paar Schritte hinter ihm zerrte Alex Gilbey die Kapuze seines Parkas enger ums Gesicht und kicherte in sich hinein, denn im Stillen kannte er die Antwort schon genau.

»Quatsch«, sagte David Kerr. »Bowie ist doch eine Flasche. Pink Floyd, die können Bowie jederzeit zeigen, wo’s langgeht.Dark Side of the Moon, das ist Spitzenklasse. Bowie hat nichts fertig gekriegt, was da rankommt.« Seine langen dunklen, von den schmelzenden Schneeflocken feuchten Locken hingen schwer herunter, und er strich sie sich ungeduldig aus dem Gesicht, das so traurig wie das eines verlassenen Kindes aussah.

Und wieder legten sie los. Wie Hexenmeister, die sich mit Zaubersprüchen bekriegen, warfen Sigmund und Davey einander Songtitel, Textzeilen und Fetzen von Melodien in einem Streitritual zu, das sich schon über die letzten sechs oder sieben Jahre erstreckte. Es war ihnen egal, dass die Musik, bei der heute die Fenster ihrer Studentenbuden klirrten, eher von The Clash, The Jam oder The Skids kam. Selbst ihre Spitznamen zeugten noch von ihrer früheren Leidenschaft. Vom ersten Nachmittag an, an dem sie sich nach der Schule in Alex’ Zimmer versammelt hatten, um sich sein frisch erworbenes AlbumZiggy Stardust and the Spiders from Mars anzuhören, war es unvermeidlich gewesen, dass der charismatische Sigmund, der ausgestoßene Messias, für alle Zeiten Ziggy heißen würde. Und die anderen würden sich mit den Spiders zufrieden geben müssen. Alex nannte man Gilly, obwohl er sich gegen diesen läppischen Namen wehrte, der für jemanden mit dem stämmigen Körperbau eines Rugbyspielers nicht passte. Aber über seinen Familiennamen, den er nun mal zufällig hatte, ließ sich kaum streiten. Und keiner zweifelte auch nur einen Moment daran, dass für das vierte Mitglied ihrer Gruppe nur Weird – der komische Kauz – in Frage kam. Denn seltsam war dieser Tom Mackie, daran ließ sich nicht deuteln. Als der Größte seines Jahrgangs sah er mit seinen langen, schlaksigen Gliedern absonderlich aus, was zu seiner Persönlichkeit passte, denn er hatte eine Vorliebe fürs Ausgefallene.

Dann blieb nur noch Davey übrig, ein treuer Pink-Floyd-Anhänger, der sich hartnäckig weigerte, einen Spitznamen aus dem Bowie-Spektrum anzunehmen. Eine Weile hatte er sich widerstrebend Pink nennen lassen, aber als sie zum ersten Mal »Shine on, You Crazy Diamond« hörten, gab es keine weitere Diskussion mehr. Davey war eben einfach der Crazy Diamond, er sprühte unerwartet Feuer in alle Richtungen, war aber außerhalb seiner gewohnten Umgebung gereizt und empfindlich. Aus Diamond wurde bald Mondo, und der Name Mondo Davey Kerr blieb ihm für den Rest des Schuljahres und bis zur Universität erhalten.

Alex schüttelte verwundert den Kopf. Obwohl er nach viel zu viel Bier benebelt war, fragte er sich, was ihre Viererbande all diese Jahre zusammengehalten hatte. Schon beim Gedanken daran stieg eine Wärme in ihm auf, die der heftigen Kälte entgegenwirkte, als er plötzlich über eine hoch stehende Wurzel stolperte, die unter der weichen Schneedecke verborgen lag. »Scheiße«, murmelte er und rempelte Weird an, der ihm einen gutmütigen Schubs gab, so dass Alex strauchelnd nach vorn schoss. Er versuchte mit den Armen fuchtelnd das Gleichgewicht zu halten, ließ sich dann vom Schwung weiter torkelnd den Hang hinauftragen, wobei der kalte Schnee auf seinen geröteten Wangen ihn wach machte. Als er die Kuppe erreichte, sanken seine Beine plötzlich in eine unerwartete Mulde, und er fiel kopfüber hinein.

Aber sein Sturz wurde von etwas Weichem gebremst. Alex versuchte verzweifelt sich aufzusetzen und drückte gegen das, worauf er gefallen war. Er spuckte den Schnee aus, rieb sich mit kribbelnden Fingern die Augen und schnaufte durch die Nase, um die eiskalten schmelzenden Flocken loszuwerden. Als er sich umsah, was ihn so weich hatte fallen lassen, erschienen gerade die Köpfe seiner Kameraden am Abhang, die über seine absurde Lage grinsten.

Selbst in dem unheimlichen, schwachen Licht auf dem Schnee konnte er erkennen, dass das Hindernis, das seinen Sturz gebremst hatte, nichts Pflanzliches war. Der Umriss eines menschlich