Ende der1940er, Anfang der1950er Jahre waren in meiner niederbayerischen Heimat die Sommer sehr warm. Als kleiner Junge lief ich damals von Mai bis in den September oder Oktober hinein meistens barfuß. In den Wintern gab es Schnee und Eis. Einen richtig kalten Winter erlebte ich gegen Ende meiner Schulzeit1962/63. Damals waren nicht nur die Stauseen monatelang zugefroren, sondern auch große Flüsse, wie der freiströmende Inn und, wie ich später erfuhr, praktisch alle Gewässer in Bayern sowie im größten Teil von Mitteleuropa. Über das Eis des Bodensees fuhren Traktoren. Dieser Winter, einer der drei kältesten des ganzen20. Jahrhunderts, dauerte von Ende November bis Mitte März. Auf den Seen und Stauseen war das Eis bis über40 Zentimeter dick geworden. Die Eisdecken barsten krachend, als der Wasserdruck mit dem in den Bergen zuerst einsetzenden Tauwetter zunahm. Der Winter2005/06 zog sich zwar bis weit ins Frühjahr hinein, verlief aber bei weitem nicht so kalt. Dem Alpenvorland und sogar München brachte er Anfang März eine Schneekatastrophe. Am Sonntag, dem5.März2006, lag der Schnee bis zu60 Zentimeter hoch, und München wurde für einen halben Tag eine Geisterstadt. Denn es fuhren weder Straßen- noch S-Bahnen, praktisch keine Autos, und sogar der Fernverkehr der Bahn musste eingestellt werden. Drei Jahre zuvor herrschten Anfang März schon fast frühsommerliche Temperaturen, und der ihnen folgende Sommer von2003 gilt mit seinen fünf Monaten Dauer, seiner anhaltenden Hitze und Trockenheit als »Jahrtausendsommer«. Im letzten Jahrzehnt des20. Jahrhunderts waren global die wärmsten Jahre festgestellt worden. An einem Klimawandel zweifelt kaum noch jemand, höchstens am Anteil, den der Mensch mit seinen Einflüssen auf die Erdatmosphäre daran hat. Wie groß diese sein müssen, erlebte ich in Brasilien, als ich über das brennende Zentrum des südamerikanischen Kontinents flog und im Pantanal von Mato Grosso aus gänzlich wolkenlosem Himmel unablässig Asche niederschwebte. Sie legte sich wie ein alt gewordener, grauer Schneebelag übers in der Hitze wabernde Land. Ich sah die riesigen Rodungen auf Borneo, als ich in Begleitung des damaligen deutschen Umweltministers Klaus Töpfer bei der Vorbereitung auf die große Umweltkonferenz von Rio unterwegs war, und vieles andere mehr in Süd- und Nordamerika, in Afrika, Indien und Australien. Es bedurfte keiner Erleuchtung auf einsamem Gipfel in einer entlegenen Ecke der Welt, um das Ausmaß des zerstörerischen Wirkens von Menschen zu sehen. Dennoch überraschte mich immer wieder die Blindheit dem Offensichtlichen gegenüber. Wie können Ökologen behaupten, die größte Massierung von Großtieren an Land gäbe es in der Serengeti im ostafrikanischen Tansania? In manchen norddeutschen Landkreisen leben weit mehr, aber fast alle sind »unsichtbar« in Ställen untergebracht. Dennoch existieren sie, und sie übertreffen die Serengeti an Zahl oder Lebendgewicht der Huftiere pro Quadratkilometer bei weitem. Oder: In welchem Verhältnis stehen die Waldrodungen der letzten Jahrhunderte in denUSA zu den gegenwärtigen in Amazonien? Was in der Spanne eines vollen Menschenalters vergangen ist oder gar schon vor mehr als100 Jahren geschah, ist vergessen und so gut wie nicht mehr existent. Oder es wird als »gute alte Zeit« verklärt und zum Bezugsmaß für die heutigen Verhältnisse und Entwicklungen genommen. Gewiss, wir leben in einer Zeit rascher Veränderungen. Doch verliefen diese im19. Ja