2. Der rote Karle
Ich sag nichts, nein.
Da habt ihr es mit dem Rechten zu tun. Da hättet ihr früher kommen sollen. Als es an der Zeit war, hat keiner was gewollt. Alleweil hat man uns verseckelt bis zum seligen Ende. Aber ihr glaubt doch nicht, dass ich wirklich was damit zu tun hab? Dass wir da mit drinstecken in dem Dreck? Dass womöglich einer geschossen hat? Pfeifendeckel. Bei uns schießt lang keiner mehr. Ja, natürlich haben wir Waffen. Immer Revolver gehabt. Pistolen. Gewehre. Willst du sie sehen? Wir können allesamt runter in den Keller. Dort unten sind sie. Markenfabrikate! Mauser! FEG! Heckler& Koch! Alte Wertarbeit. Teils noch von meinem Vater. Kriegst du heut nirgends mehr. Kommt alles aus China. Alles nachgemacht. Außen hui, aber innen null Präzision. Damit kannst du nicht mal einen Hund abknallen. Marthel! Bring mir mal meinen Stecken. Die Herrschaften treibts aus der Küche. Was glotzt ihr so wie angenagelt? Man ist nicht mehr 50. Pfoten weg. Gut, dann bleib ich sitzen. Aber dann sitzt du auch. Das macht mich nervös, dein Gehampel. Du bist doch noch gar kein richtiger Kerle, Mensch. Ein Seichbüble. Nicht mal im Schwabenalter. Und so was schon Kriminalhauptkommissar. Was? Ja. Kriminalhauptkommissar Timo Fehrle. Hab ich mir gemerkt, wie du da reingekommen bist. Und aus dem Nachbarort. Vom Sulgen! Es ist nie nichts Gutes, was vom Sulgen rüberkommt. Aber jetzt hockst du in Stuttgart bei den Großkopfeten und fährst einen Audi. Stimmts? Hab ich recht? Zum Daimler langts nicht oder nur als Dienstwagen. So einer wie du ist verheiratet. Ring am Finger. Zwei Kinderfotos in der Brieftasch. Ein Bub und ein Mädle. Immer in der Ordnung alles. Bloß, wenn du dirs recht überlegst, so wie du rumläufst, bist du einer vom anderen Ufer. Schicke Klamotten und Hennendreck in den Haaren. Die vom Fehrleshof ticken eh nicht richtig mit ihren Viechern. Und du bist doch einer von denen Fehrles dort droben von der Heuwies. Da kannst du mir nichts vormachen, das seh ich gleich. Die sind nicht recht bei Verstand.
Eine Smith& Wesson 4 Millimeter, ja so. So was haben wir hier nicht. Das wüsst ich. Das ist doch ein Murks. Ja, kann man denn damit einem überhaupt einen sauberen Genickschuss verpassen?
»Herr Roth«, sagte Fehrle, ein junger Spund mit weichem Maul und harten Augen, großgewachsen, dunkel und schön wie ein Weib. Ein richtiger Sulgemer halt. Der Urgroßvater war ein Original gewesen, er war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Fehrle-Sippe war von jeher aktiv in der Narrenzunft. Nach dem Franz war lang vor dem Krieg die erste Larve vom Sulgemer Krattemacher geschnitzt worden, die man wieder einstampfen musste, weil der Fehrle Franz so jähzornig war, dass kein Hansel sie aufsetzen wollte.
»Die Tatwaffe ist registriert auf Ihren Namen. Es wär hilfreich, wenn Sie den Mund aufmachen.« Auch der Fehrle Timo klang, als stünde er vor einer Explosion. Obwohl er nur schwarze Jeans, ein ungebügeltes weißes Hemd und eine schwarze Lederjacke anhatte und kein bemaltes Fasnetshäs.
»Er kann nicht«, erwiderte seine Frau, die lautlos in die Küche gehuscht war.
»Grüß Gott, Marthel«, sagte Timo. »So sieht m