10
Da war etwas in Dr. Hoves Verhalten und Tonfall, das die Detectives zutiefst beunruhigte. Sie folgten ihr zum zweiten Sektionstisch.
»Ich habe absolut keinen Zweifel, dass alles, was in dem Zimmer passiert ist, geplant war, und zwar bis ins letzte Detail.« Sie zog das weiße Laken beiseite. Die widerliche Skulptur, die der Mörder am Tatort zurückgelassen hatte, war in ihre Einzelteile zerlegt worden. Derek Nicholsons abgetrennte Gliedmaßen lagen nun fein säuberlich in einer Reihe auf dem kalten Metalltisch. Auch das Blut war abgewaschen worden.
»Keine Sorge«, wandte sich Hove an Hunter, da sie seine Unruhe bemerkt hatte. »Das Labor hat genügend Fotos gemacht und alles ausgemessen, um die Nachbildung anzufertigen, die Sie haben wollten. Sie müsste morgen oder übermorgen fertig sein.«
Hunter und Garcia starrten auf die Gliedmaßen.
»Sind Sie aus der Skulptur irgendwie schlau geworden, Doc?«, wollte Garcia wissen.
»Kein bisschen. Und ich musste sie eigenhändig auseinandernehmen.« Sie hatte einen Frosch im Hals und hustete, um ihn loszuwerden. »Ich habe unter den Fingernägeln geschabt. Keine Haare oder Hautfetzen, nur Schmutz und Exkremente.«
»Exkremente?« Garcia verzog das Gesicht.
»Seine eigenen«, sagte Hove. »Bei starken Schmerzen, wie zum Beispiel während einer Amputation ohne Betäubung, verliert der Mensch die Kontrolle über Blase und Darm. Und genau das ist hier das Sonderbare.«
»Was?«, fragte Garcia.
»Er war sauber«, antwortete Hunter an Hoves Stelle. »Als wir an den Tatort kamen, hätte das Bettlaken mit Urin und Kot verschmutzt sein müssen. War es aber nicht.«
»Aufgrund der Krankheit und seiner eingeschränkten Mobilität war der Gang zur Toilette für Nicholson eine recht aufwendige Prozedur.« Jetzt sprach wieder Dr. Hove. »Seine Pflegerinnen haben ihm dabei geholfen. Wenn sie nicht da waren, trug er Windeln für Erwachsene.«
»Die Spurensicherung hat eine in eine Plastiktüte gewickelte schmutzige Windel im Mülleimer im Erdgeschoss gefunden.«
Garcia machte große Augen. »Der Täter hat ihn saubergemacht?«
»Nicht direkt saubergemacht, aber irgendjemand hat seine schmutzige Windel entsorgt.«
Mehrere Sekunden lang sagte keiner ein Wort. Dann fuhr Dr. Hove mit ihrem Bericht fort. »Ich glaube deshalb, dass der Mörder sich mit Chirurgie auskennt, weil ich die hier gefunden habe.« Sie deutete auf eine Stelle nahe der Schnittkante an einem der abgetrennten Arme. »Sie sind mir erst aufgefallen, nachdem ich das Blut abgewaschen hatte.«
Hunter und Garcia traten einen Schritt näher. Auf der gummiartigen Haut war ganz schwach eine schwarze Filzstiftlinie zu erkennen. Sie verlief in einem unvollständigen Kreis um den Arm herum, und zwar ziemlich genau an der Stelle, wo die Amputation vorgenommen worden war.
»Bei komplizierten chirurgischen Eingriffen wie Amputationen, wo der Schnitt sehr präzise gesetzt werden muss, ist es nicht ungewöhnlich, dass der Chirurg, oder wer auch immer den Eingriff vornimmt, die Stelle vorher mit einem Stift anzeichnet.«
»Aber das würde jemand, der die Informationen aus einem Buch oder aus dem Internet hat, doch genauso machen, Doc«, gab Garcia zu bedenken.
»Stimmt«, räumte sie ein. »Aber jetzt schauen Sie sich mal das hier an.« Sie ging zurück zum ersten Sektionstisch mit Derek Nicholsons Torso. Hunter und Garcia folgten ihr. »Während einer Amputation ist es lebenswichtig, dass alle größeren Blutgefäße, wie die Arteria brachialis im Arm oder die Arteria femoralis im Oberschenkel, ordnungsgemäß abgebunden werden, da sonst der Patient innerhalb kürzester Zeit verblutet.«
»Sie waren aber nicht abgebunden«, sagte Hunter und beugte sich vor,