Nanni und ich im Großstadtdschungel
Manche sagen, die Stadt sei ein Labyrinth, andere klagen über den Schmutz und die schlechte Luft; doch für mich ist Delhi die schönste Stadt der Welt. Da sind die winkligen Gassen der Altstadt und der Basar von Chandni Chowk, da sind die breiten Straßen des Regierungsviertels und da ist der Yamuna, ein Nebenfluss des Ganges, der sich durch das Stadtgebiet windet. Besonders mag ich das Gewusel in den Straßen: kleine Stände, die köstliche Essensdüfte verbreiten. Menschenmengen, deren bunte Saris wunderschöne Mosaikbilder weben. Hupkonzerte von Fahrern, die keine Zeit oder einfach nur Spaß am Gehupe haben, das lauter ist als der jährliche Militärmarsch zum Nationalmuseum. Schrille Werbeplakate für die neuesten Bleaching-Cremes, die einem weismachen wollen, dass es so viel schöner ist, hellhäutig zu sein. Überall wird gerufen, gestritten, gefeiert und gelacht.
Und mittendrin bin ich mit meiner Rikscha: schwarzes Blech, ein gelbes Dach. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie die anderen 80 000 Rikschas, die in Neu-Delhi unterwegs sind. Aber meine Rikscha ist etwas Besonderes. Okay, von außen kann man kaum einen Unterschied zu den anderen „Tuk-Tuk-Taxis“ bemerken, aber innen habe ich meine Rikscha liebevoll eingerichtet. So gibt es eine Lichterkette, die abwechselnd bunt blinkt und bei der ich sogar per Knopfdruck bestimmen kann, wie schnell sich die Farben ändern. Oft frage ich meine Fahrgäste nach ihrer Lieblingsfarbe und überrasche sie dann mit dem Farbenspiel, sodass sie ihre Fahrt in der Nanni noch mehr genießen können.
Ja, meine Rikscha hat einen Namen: Nanni. Das heißt „danke“. In kleinen weißen Buchstaben prankt das Wort über dem linken Hinterrad. Es soll mich immer daran erinnern, dankbar zu sein. Denn das, so habe ich im Laufe der Jahre gelernt, zählt zu den wichtigsten Dingen überhaupt.
Außerdem läuft bei mir immer gute Musik. Also keine klassische Musik oder Heavy Metal oder so, sondern fröhliche Bollywood-Musik. Manche finden die Bollywood-Filme und ihre Musik kitschig. Mag ja sein, dass sie kitschig sind. Aber das heißt nicht, dass sie schlecht sind. Sie sind vor allem eins: übertrieben. Übertrieben romantisch, übertrieben schrill, übertrieben bunt, übertrieben laut, übertrieben traurig, übertrieben fröhlich.
Aber genau deswegen mag ich sie so sehr: Denn über unseren Herzen liegt oft ein Schleier aus Zweifeln, Ängsten, Gedanken und komplizierten Gefühlen. Und um diesen Schleier zu durchdringen und unser Herz zu berühren, muss es eben manchmal etwas mehr sein: mehr Romantik, mehr Farben, mehr Trauer, mehr Freude. Einfach mehr!
Es ist einer dieser heißen Tage, an denen einem bereits morgens der Schweiß auf der Stirn steht. Ich will gerade in meine Rikscha steigen, als mein Nachbar Malik „Guten Morgen, Rahul!“ ruft.
„Ob es ein guter Morgen wird, wird sich noch zeigen“, entgegne ich mit einem Lächeln. Ich schaue kurz in die Ferne und dann wieder zu Malik und rufe ihm zu: „Ich habe mal für uns nachgeschaut: Heute ist ein guter Tag, um ein guter Tag zu werden!“
Optimismus, behaupten meine Freunde, ist mein zweiter Name.
Ich starte den kleinen Motor, gebe mit einem gekonnten Handgriff etwas Gas und fahre los. Die Lichter blinken in Grün, aus den kleinen Boxen schrillen die ersten Töne des bekannten Bollywood-SongsJai Ho und ich mache mich auf in Richtung Zentrum. Optimismus, behaupten meine Freunde manchmal, ist mein zweiter Name. Warum auch nicht? Klingt doch viel besser als Rahul, der Pessimist, oder?
„Jaaai Hooo. Jaai Hooooo.“ Ich finde, dass ich der am besten singende Rikscha-Fahrer von Delhi bin. Na ja, zumindest im Osten De