Er sah sich um, doch es war sinnlos. Die heftigen Böen, die ihm den Sand entgegen schleuderten wie Millionen winziger Geschosse, machten es unmöglich, weiter als ein paar Yards zu schauen.
»Lassiter«, drang die Stimme von einem der Deputies verwaschen durch den heulenden Sturm an seine Ohren.
Er drehte sich um. »Ich bin hier!«, rief er zurück und griff nach den Zügeln von Donovan Minks’ Rappen. Der Hengst schnaubte erregt, doch er ließ sich von Lassiter zu der Kutsche führen.
Er band die Zügel des Tieres an einem der Wagenräder fest, bevor er sein eigenes Pferd holen ging. Er klopfte dem Braunen beruhigend auf die Kuppe und bemerkte zwei schemenhafte Gestalten, die hinter dem Rücken des Wallachs auftauchten.
Die Deputies zügelten vor ihm ihre Pferde, und der Älteste von ihnen, Benjamin Harper, vierschrötig und muskulös, starrte ihn aus seinen hellbraunen Augen erwartungsvoll an. »Irgendeine Spur von Don?«
Lassiter furchte die Stirn. »Sein Pferd.«
»Sein Pferd?«, wiederholte Harper. »Wo steckt er?«
Lassiter zuckte ratlos die Achseln.
»Absitzen, Männer«, befahl Harper, und seine Begleiter stiegen aus den Sätteln. Jimmy Dornkart, ein breitschultriger Blondschopf mit dem bleichen Teint eines Einwanderers, der erst vor kurzem in die Neue Welt gekommen war, hustete und spuckte Staub aus, bevor er es Lassiter gleichtat und sich sein Halstuch über das Gesicht zog.
»Verfluchter Sturm«, brummte Oscar Jennings, der dritte im Bunde, knirschte mit den Zähnen und zog sich den Hut tiefer in die Stirn. »Man sieht die Hand vor Augen nicht.«
»Es müsste bald nachlassen«, bemerkte Harper und führte sein Pferd am Zügel, bis er Lassiter erreichte. »Konnten Sie sonst noch etwas entdecken?«
Lassiter nickte grimmig. »Folgen Sie mir.«
Die beiden Männer auf dem Kutschbock waren regelrecht hingerichtet worden. Löcher vom Umfang eines Silberdollars klafften in ihren Stirnen, und die aufgerissenen Augen waren von einer feinen Staubschicht überzogen, die ihnen das unheimliche Aussehen von Blinden verlieh. Einer der beiden hielt einen Smith& Wesson Schofield in der starren Faust, als hätte er das Unheil kommen sehen und zu spät zur Gegenwehr angesetzt.
Die Plane des Wagens hatte der Sturmwind mit sich fortgerissen, sodass die eisernen Halterungen über der Ladefläche nun nackt in den Himmel ragten wie riesige, zu dünn geratene Steigbügel. Doch auf den Planken hinter dem Kutschbock befanden sich nur Kleiderbündel, ein paar Bierfässer und zwei zerschlissene Seesäcke.
An der Gabel des Fuhrwerks hing noch das Geschirr für die Pferde, doch die Zugtiere waren verschwunden.
»Meinen Sie, wir sind hier richtig?«, brüllte Harper gegen den Sturm an, und Lassiter warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor er nickte.
Die Toten ließen kaum einen Zweifel darüber zu, dass sie den Rückzugsort einer Räuberbande gefunden hatten, die seit über zwei Jahren hier im Norden von Nevada ihr Unwesen trieb.
Die Gazetten hatten den Outlaws den NamenSilberlinge verpasst, weil sie es auf Kutschen und Züge abgesehen hatten, die das weiße Gold aus den Minen in die Hauptstadt Carson City oder weiter nach Reno an die Staatsgrenze zu Kalifornien transportierten.
Und davon gab es hier mehr als genug. Wegen der reichen Vorkommen hatte Nevada mittlerweile den Beinamen »Silver State« erhalten, und allerorten entstanden in der Region neue Boomtowns, die tausende von Tagelöhnern aus dem ganzen Land anlockten. Das ansonsten karge Territorium war binnen weniger Jahre zu einem aufstrebenden Staat geworden, und die ersten Bahnlinien zogen sich bereits nach Norden, Westen und Osten durch die