: Lucius Annaeus Seneca
: Trostschriften
: Books on Demand
: 9783754324486
: 1
: CHF 1.20
:
: Antike
: German
: 142
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Lucius Annaeus Seneca, (geboren im Jahre 1, verstorben 65 n.Chr.), römischer Philosoph, Politiker und Lehrer der späteren Kaiser Nero, war einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Seneca zählt zu den wichtigsten Vertretern der Stoa, einer einflussreichen philosophischen Denkschule, die nach Gelassenheit, Seelenruhe und Weisheit strebt. Auch in seinen berühmten"Trostschriften quot;, die während seiner korsischen Verbannung entstanden, zeigt Seneca seinen Lesern und Leserinnen mögliche Wege auf, um den Problemen und Widrigkeiten des Alltags zu entkommen oder sie zumindest mit Seelenruhe zu ertragen. Das vorliegende Buch wurde sorgfältig editiert und enthält die"Trostschriften" von Lucius Annaeus Seneca im Original-Wortlaut ihrer Übersetzung von Albert Forbiger, 1867.

Lucius Annaeus Seneca, (geboren im Jahre 1, verstorben 65 n.Chr.), römischer Philosoph, Politiker und Lehrer der späteren Kaiser Nero, war einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Seneca zählt zu den wichtigsten Vertretern der Stoa, einer einflussreichen philosophischen Denkschule, die nach Gelassenheit, Seelenruhe und Weisheit strebt.

Trostschrift an seine Mutter Helvia





(Ad Helviam matrem de consolatione)

 

Entstanden 41 n.Chr.

   

I.

 

(1.) Oft schon, beste Mutter, nahm ich einen Anlauf dich zu trösten, oft hielt ich wieder inne. Es zu wagen, trieb mich Vieles an; zuerst schien es mir, als würde ich alles Widerwärtige von mir werfen, wenn ich deine Thränen, wo nicht völlig unterdrückt, doch wenigstens einstweilen abgewischt hätte; sodann zweifelte ich nicht, daß ich mehr im Stande sein würde dich aufzurichten, wenn ich mich vorher selbst ermannt hätte; überdies fürchtete ich, das Schicksal möchte, wenn auch von mir besiegt, doch über irgend Einen der Meinen siegen.

 

(2.) Daher versuchte ich, so gut es ging, die Hand auf meine Wunde drückend, mich herzuschleppen, um eure Wunden zu verbinden. Diesen meinen Vorsatz [aber] verzögerten wieder manche Umstände. Ich wußte, daß man deinem Schmerze, so lange er in Frische tobte, nicht entgegentreten dürfe, damit ihn nicht die Tröstungen selbst noch mehr erregten und anfachten; denn auch bei Krankheiten ist Nichts verderblicher, als unzeitige Arzneimittel.

 

(3.) Ich wartete daher, bis er seine Kraft selbst bräche und, durch die Zeit zur Ertragung der Heilmittel besänftigt, sich berühren und behandeln ließe. Außerdem fand ich, obgleich ich alle zur Bezähmung und Mäßigung der Trauer abgefaßten Werke der berühmtesten und talentvollsten Männer nachschlug, kein Beispiel eines Mannes, der die Seinen getröstet hätte, wenn er selbst von ihnen beweint wurde.

 

(4.) So wurde ich in einem mir neuen Falle bedenklich und besorgte, es möchte dies keine Tröstung, sondern ein Aufreißen der Wunde werden. Ja, hätte nicht ein Mensch, der zur Tröstung der Seinen sein Haupt vom Scheiterhaufen selbst erhöbe, ganz neue und nicht der gewöhnlichen und alltäglichen Umgangssprache entnommene Worte nöthig? Jeder große und das Maß überschreitende Schmerz aber muß nothwendig eine Auswahl der Worte treffen, während er doch oft sogar die Stimme selbst versagen läßt. Doch will ich mich, so gut ich kann, zusammennehmen, nicht aus Vertrauen auf mein Talent, sondern weil ich selbst statt der wirksamsten Tröstung dein Tröster sein kann. Dem du Nichts abschlagen würdest, dem wirst du, hoffe ich, obgleich jeder Gram halsstarrig ist, sicherlich das nicht versagen, daß du deiner Sehnsucht durch mich eine Grenze setzen lässest.

   

II.

 

(1.) Siehe, wie viel ich mir von deiner Zärtlichkeit verspreche; ich zweifle nicht, daß ich über dich mehr vermögen werde, als dein Schmerz, dessen Macht über Unglückliche doch Nichts übertrifft. Um daher nicht sogleich mit ihm zu kämpfen, so will ich ihn erst vertheidigen und sagen, was ihn erregen konnte; ich will Alles vorbringen und selbst, was schon vernarbt ist, wieder aufreißen.

 

(2.) Es wird Je mand sagen: »Was ist das für eine Art zu trösten, wenn man schon vergessene Uebel zurückruft und einem Gemüthe, das kaum eine Trübsal erträgt, einen Standpunkt gibt, von welchem aus es alle seine Trübsale überblickt?« Dieser mag jedoch bedenken, daß Alles, was so verderblich ist, daß er trotz der Gegenmittel immer mehr erstarkt, meistentheils durch das Gegentheil geheilt wird. Ich will ihm daher all seinen Jammer, alles Traurige vorführen; das heißt [freilich] nicht auf sanftem Wege heilen, sondern brennen und schneiden. Was werde ich dadurch erreichen? Daß die Seele als Besiegerin so vielen Elends sich schämen muß, ü