: Martin Kunz, Simone Varga-Kunz, Karsten Fehlhaber
: Verwenden statt verschwenden! Nachhaltig mit Lebensmitteln umgehen
: Mosaik bei Goldmann
: 9783641092467
: 1
: CHF 4.00
:
: Gesellschaft
: German
: 240
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Zu schade für die Tonne!
Warum werfen wir wertvolle Lebensmittel weg? Das Essen, das in Europa im Müll landet, würde zweimal reichen, um alle Hungernden der Welt zu ernähren. Viele Verbraucher sind schlicht unsicher, was man noch ruhigen Gewissens essen kann und was wirklich in die Tonne muss. 'Verwenden statt verschwenden!' liefert wertvolle Informationen zu Lebensmittelhygiene, Haltbarkeit, Lagerung und Verwertung, um den Abfallberg mühelos zu verkleinern. Damit ist jedem einzelnen wirklich geholfen. Ein wichtiger Beitrag für den eigenen Geldbeutel und ein deutliches Zeichen gegen die Dekadenz der Wegwerfgesellschaft.

Der Wissenschaftsredakteur Martin Kunz war 15 Jahre lang Leiter des Ressorts Forschung, Technik, Medizin beim Nachrichtenmagazin »Focus« und ist Autor des BestsellersDie Volumetrics-Diät. Seit Januar 2012 ist er Leiter der Akademie der Bayerischen Presse (ABP).

Unglaubliche Verschwendung

Achtsamer Umgang mit Lebensmitteln – Fehlanzeige

Die Geschichte der Dekadenz

Den Niedergang einer Gesellschaft kann man fast überall, an jeder Straßenecke, in jedem Restaurant oder Supermarkt verfolgen. Zum Beispiel auch auf einer Gartenparty in einem besseren Viertel Münchens. Der Eingeladene kam etwas verspätet, wollte gerade die Gastgeber begrüßen und den Willkommensdrink genießen, als mehrere Kinder mit Gabeln bewaffnet über das sehr weitläufige Gartengelände liefen. Auf deren Gabeln waren mächtige gegrillte Steaks aufgespießt, und es schien, die Kinder würden damit in eine stille Ecke rennen, um die Beute zu verspeisen. Doch der gutsituierte Nachwuchs rannte und rannte wie wild. Später sahen die Gäste, wie einige der Kinder die großen Fleischstücke als Wurfgeschoß benutzten, und als die Erwachsenen dem leckeren Duft des Grills nachgingen, lagen mehrere der gegrillten Steaks – natürlich vom Biometzger – halb im Gras, halb im Matsch. Es hatte am Vormittag geregnet, der Boden war weich, und die Steaks waren nun auf einer Seite knusprig gegrillt und auf der anderen Seite mit matschiger Erde verschmiert. Erstaunlicherweise hatte die Steak-Verschwendung keinerlei Konsequenzen für den Nachwuchs – eine der Mütter eröffnete am nächsten Morgen beim Warten auf den Bus der Privatschule das Gespräch.»Also da lagen die Biosteaks im Schlamm, und keiner regte sich darüber auf«, sagte sie.»Ist ja irre«, kommentierte die andere. Bestürzung? Entsetzen? Ein mildes Lächeln war die Reaktion. Das Thema war nach einem Tag nur noch gut für einen Lacher an der Bushaltestelle – eigentlich traurig oder?

Dekadenz kommt vom französischen»décadence«; der geschichtsphilosophische Begriff beschreibt Veränderungen in Gesellschaften und Kulturen als Verfall oder Verkommenheit. Der französische Schriftsteller Nicolas Boileau führte im17. Jahrhundert als Erster diedécadence als ästhetischen und ethischen Begriff ein. Der Verfall der Sitten war schon damals für kritische Geister ein sicheres Anzeichen für die baldige Auflösung einer Kultur. Es scheint aber so zu sein, dass Dekadenz immer eine Begleiterscheinung der menschlichen Hochkultur oder feudaler Strukturen ist. Das Phänomen, Maßlosigkeit zur Schau zu stellen oder gemeinschaftliche Ressourcen egoistisch zu missbrauchen, war Alltag im alten Rom, im zentralafrikanischen Urwald von»Kaiser« Jean-Bédel Bokassa oder in der kommunistischen Autokratie Rumäniens von Nicolae Ceaus¸escu.

Die dekadenten Vorgänge, mit denen sich dieses Buch beschäftigt, finden aber heute statt, unter uns, in unseren Häusern. Und fast niemand