Eine ganz normale Party
Die Kälte der Untersuchungsliege sorgte dafür, dass sich die Haare auf meinen Beinen aufstellten.
Ich sollte mir mal wieder die Beine rasieren, na ja, falls ich den Strumpf nicht mehr tragen muss, sonst ist es ja egal, ging mir durch den Kopf, während ich den Arzt beobachtete, der gerade ein Ultraschallgerät gegen meine Wadenmuskulatur drückte.
Vier lange Monate. Bitte lass es etwas gebracht haben.
»Und? Kann man schon was sehen?«, fragte ich ihn ungeduldig.
»Moment. Hmmm. Mhhh … Prima!« Er legte das Gerät zur Seite und schaute mich endlich an. »Sieht gut aus. Alles frei. Du hast keine Thrombose mehr.«
»Echt jetzt? Juhu! Keine Spritzen und keinen Strumpf mehr?« Ich konnte es kaum glauben.
»Keine Spritzen und keinen Strumpf mehr«, wiederholte er.
Vor dem Krankenhaus schnappte ich mein Handy und schrieb meiner Schwester Larissa: »Juhu, ich bin thrombosefrei! Endlich! Das muss gefeiert werden!«
»Wah! So toll. Ich freu mich volle, hey! Na klar!«
Auf dem Heimweg schrieb ich noch meinen beiden anderen Schwestern, Anna und Mara, und meinen Eltern. Alle freuten sich mit mir. Zu Hause setzte ich mich auf die Couch in meinemWG-Zimmer und begann, meine Thrombosestrümpfe auszusortieren. Mein Mitbewohner Christoph kam kurz rein und gratulierte mir zur Genesung, nachdem ich ihm das Ergebnis der Untersuchung mitgeteilt hatte. Ich wohnte mit zwei Jungs in einer Wohngemeinschaft im Zentrum von Innsbruck.
Als er gerade gehen wollte, hielt ich ihn zurück: »Hey, ich überlege, am Wochenende eine Party zu veranstalten. Ist das okay für dich? Eher Freitag als Samstag.«
»Na klar, ich bin vielleicht eh nicht da. Kann es aber noch nicht genau sagen. Viel Spaß«, wünschte er mir noch und verließ das Zimmer.
Mein Handy vibrierte. Eine neue Nachricht von Larissa: »Denk grad an die geilen Partys, die wir zukünftig wieder haben werden. Jetzt, wo du doch endlich gesund bist! :P«
»Jaaaa!!! Ich freue mich auch sooo!«, schrieb ich zurück.
»Und ich mich erst, hey. Hab dich lieb. Bussi«
Ich machte mich daran, die hässlichen weißen Strümpfe ordentlich zusammenzufalten, und ließ in Gedanken die vergangenen Monate Revue passieren.
Im März hatte ich einen Skiunfall gehabt, bei dem mir mein vorderes Kreuzband gerissen war. Der Zeitpunkt war so ungünstig, wie er nur sein konnte. Ich war noch mitten im Studium der Geschichtswissenschaften und jobbte nebenbei als Kellnerin in einem Irish Pub. Mit einem Kreuzbandriss, der sechs bis acht Monate Bewegungseinschränkung bedeutet, war das aber nicht mehr möglich. Noch am Tag des Unfalls wurde ich gekündigt. Und das, nachdem ich mein Studium doch fast ausschließlich selbst finanzieren musste. Bei drei Kindern blieb meinen Eltern, die seit zwei Jahren geschieden waren, nicht viel Geld, um jede von uns groß zu unterstützen. Vor allem, nachdem meine Mutter erst vor kurzer Zeit eine hartnäckige Krebserkrankung besiegt hatte.
Doch jetzt musste ich erst einmal an meinen Körper und nicht ans Geld denken. Im Mai wurde ich schließlich operiert. Die Operation verlief ohne Komplikationen – allerdings nicht die Zeit danach. Ich bekam eine tiefe Beinvenenthrombose und musste mir vier Monate lang Blutverdünner spritzen. Deshalb war ich gezwungen, zu meiner Mutter in meinen Heimatort Reutte in Tirol zurückzuziehen, wo sie mit meinen zwei jüngeren Schwestern Larissa und Mara und unserem Mops Milow in einer kleinen Vierzimmerwohnung wohnte.
Meine Schwester Anna und ich waren bereits ausgezogen und hatten dort keine Zimmer mehr. Mit 26 Jahren zurück nach Hause und wieder neben meiner Mama schlafen zu müssen – was für e