: Manuel Larbig
: Waldwandern Von der Sehnsucht nach Wildnis und Nächten unter freiem Himmel
: Penguin Verlag
: 9783641251512
: 1
: CHF 11.40
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 320
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
42 Tage - 1092 Kilometer - 50 Wälder
Schon immer zog es Manuel Larbig in die Natur. Doch jetzt wollte er eine Auszeit vom Alltag und mehr als nur mal eine Nacht im Freien verbringen. Daher machte er sich mit seinem Hund Rocko auf den Weg, um sechs Wochen lang nur mit Minimalausrüstung durch Deutschlands Wälder zu wandern. Das Trinkwasser holte er sich am Bach, abends baute er sich eine Laubhütte zum Schlafen, und morgens ließ er sich vom Gesang der Vögel wecken. Zurück kam er mit einem Gefühl, als hätte er längere Zeit im Kloster verbracht: Er fühlte sich gelassen, stark und frei.

Manuel Larbig gibt viele wertvolle Tipps und bietet Inspiration für alle, die ebenfalls die Natur erleben möchten - egal ob bei einer Eintagestour oder einem längeren Abenteuer.

Mit Bildteil.

Manuel Larbig, Jahrgang 1987, ist Biologe, Wildkräuternarr und Outdoorexperte. Im Raum Berlin führt er Wildkräuterworkshops, Survivalkurse und Naturführungen für Kinder durch. Sein Hang zu Naturerlebnissen mit Minimalausrüstung brachte ihn dazu, ohne Zelt und Schlafsack einmal quer durch Deutschland zu wandern, worüber er in seinem ersten Buch, »Waldwandern«, berichtete. Manuel Larbigs erklärtes Ziel ist es, noch mehr Menschen für die Natur zu begeistern. Zuletzt erschien von ihm »Mein Wildkräuter-Guide. Von Rauke, Rapunzel und anderen schmackhaften Entdeckungen am Wegesrand«.

1 Aufbruch zur Deutschlandwanderung


Tag 0


Am Abend des 30. April 2015 saß ich in meinem winzigen Wohnheimzimmer und schaute mir ein letztes Mal meine Ausrüstung an. Es war so wenig. Alles, was ich in den nächsten sechs Wochen benötigen würde, passte in einen kleinen Eintagesrucksack. Ich habe vor jeder Tour das Gefühl, etwas vergessen zu haben, und tatsächlich ist dem auch meist so. Andererseits wollte ich in einem der am dicht besiedelten Länder der Welt wandern gehen, und nicht in der Mongolei. Unterwegs könnte ich also immer noch etwas besorgen.

Meine damalige Freundin Isabel schlief in jener Nacht bei mir, der Wecker war auf fünf Uhr gestellt. Warum so früh? Zum einen hatte ich eine lange Zugfahrt nach Saarbrücken vor mir, und ich wollte nicht allzu spät am Startpunkt ankommen. Zum anderen wollte dieSpiegel-Reporterin Katja Döhne um sechs Uhr vorbeikommen, um zu filmen, wie ich noch im Dunkeln losstiefele.

Isabel war schon lange eingeschlafen, als ich ihr Gesicht im Halbdunkel betrachtete. Ich fragte mich, ob ich bei meiner Rückkehr noch derselbe sein würde und wie mein heimkommendes und ihr dagebliebenes Ich in zwei Monaten zueinander stehen würden. Ich wollte sie nicht wecken, unterdrückte den Drang, ihr über die Wange zu streichen, und konnte erst mal nicht einschlafen.

Es ist nicht so, dass ich die ganze Zeit gar keine Bedenken gehabt hätte, ich hatte ihnen einfach keinen Raum gegeben. Ich hatte die Tour ziemlich gut durchgeplant und mich auf unterschiedlichste Krisen mental und ausrüstungstechnisch vorbereitet. Dadurch konnte ich es gut rechtfertigen, aufkommende Zweifel zu unterdrücken. Doch nun, kurz bevor es losgehen sollte, kamen sie hoch und ließen meine Gedanken kreisen.

Mutete ich dem guten alten Rocko nicht zu viel zu? Rocko ist ein Schäfer-Collie-Mischling, und er sollte mich begleiten. Und was ist, wenn meine Knie nicht mitmachten? Zu diesen Fragen gesellten sich weitere, sie drängten sich mir geradezu auf. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, ihnen in den Wochen zuvor keinen Raum zu geben; hätte ich sie mal lieber schon früher ernst genommen und beantwortet. Doch wer weiß, vielleicht hätte ich mich dann gegen dieses Abenteuer entschieden.

Tag 1

Katja und ihr Kameramann Roman standen pünktlich auf der Matte und filmten, wie ich mich von Isa verabschiedete und losging. Es war schon etwas befremdlich, vor allem bei so einem intimen und persönlichen Moment wie dem Abschiednehmen von der Freundin, und außerdem hatte ich vorher noch nie vor einer Kamera gestanden. Es dämmerte bereits, als ich mich, von Rocko und den zwei Reportern begleitet, auf den Weg zum Eberswalder Bahnhof machte. In Berlin stiegen die beiden aus – sie wollten mich später während der Tour noch einmal filmen –, und ich war nach kurzer Aufregung wieder alleine.

Ich schaute aus dem Fenster, und mir war bewusst, dass ich die vielen Kilometer, die in großer Geschwindigkeit an mir vorbeirauschten, wieder zurücklaufen musste. Nein, ich verbesserte mich selbst: Ich durfte sie wieder zurücklaufen. Ich tat das freiwillig, und natürlich freute ich mich auch auf diese besondere Erfahrung. Dennoch hatte ich ein leicht mulmiges Gefühl dabei – das war wirklich eine gewaltige Strecke. Ich hoffte inständig, dass mich meine Knie und Füße nicht im Stich lassen würden.

Nach fast zehn Stunden kam ich endlich in Saarbrücken an. Als ich aus der Bahnhofshalle trat, blendete mich die Sonne, obwohl sie nur schwach durch die dicke Wolkendecke schimmerte.