: Sophia Como
: Dreams so golden Roman
: Piper Verlag
: 9783492989763
: 1
: CHF 4.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 333
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wenn Social Media auf die Welt der Bienen trifft: Eine Wohlfühl-Romance über Selbstfindung und die Liebe zur Natur. Für Fans von Kathinka Engel und Kira Mohn »Manchmal muss man erst hinfallen, um einen Neuanfang zu wagen. Und manchmal nennt sich dieser Neuanfang auch Liebe.« Die Bloggerin Amelia ist frustriert - erst verliert sie ihren Praktikumsplatz, dann muss sie sich eingestehen, dass ihr geliebter Instagramblog keine Zukunft hat. Sie flüchtet aus München in ein kleines Schweizer Dorf, in dem ihre Eltern eine Imkerei betreiben. Umgeben von Bergen, sattgrünen Wiesen und dem Summen tausender Bienen erhofft sie sich eine Pause. Wäre da nicht Nick, der Imkerlehrling, der ihr mit seinen blöden Sprüchen und seiner geheimnisvollen Art gerade noch gefehlt hat. Gleichzeitig kann sie in seiner Nähe endlich zur Ruhe kommen. Langsam aber sicher nähern sie sich einander an - doch Nick verschweigt etwas, und das bedroht nicht nur ihre aufkommenden Gefühle ... 

Sophia Como wurde 1996 in Hessen geboren. Sie lebt mit ihrer Familie, ihren Hunden und Pferden in einer Kleinstadt bei Frankfurt und liebt es, in der Natur zu sein, lange Spaziergänge oder Ausritte zu machen, und Tage, an denen sie nur lesen oder schreiben kann.

Kapitel 1


Amelia


Ich war ein unsortiertesVielleicht, bestehend aus ganz vielLeider.

Die Nachtlichter der Stadt verschwammen vor meinen Augen. Je unschärfer sie wurden, desto bunter schien das Bild Münchens zu werden, das von hier oben so unbedeutend wirkte. Hastig blinzelte ich eine Träne fort, dann heftete sich mein Blick an goldbeschienene Barockgebäude, neonrote Reklametafeln und das wilde Blinken diverser Imbissbuden.

Obwohl die Nächte in der Stadt schon jetzt im Frühling recht warm waren, wurden meine nackten Arme kalt. Mein Herz auch. Als könnte ich es warm reiben wie meine Arme, legte ich die Hand an meine Brust und rieb darüber. Die Finger meiner anderen Hand krallte ich um mein Smartphone, auf dem die zerstörerischen Worte geschrieben standen.

Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns als Agentur gegen eine Vertretung entschieden haben.

 

Ich sah die in Arial geschriebenen schwarzen Wörter noch immer vor mir. DasLeider hatte in der Zwischenzeit Augen und einen Mund bekommen. Gehässig lachte es mich an. Nun schon das zweite Mal in dieser Woche.

»Leider müssen wir uns im Vorstand noch mal über eine Übernahme besprechen. Vielleicht gibt es ein paar Änderungen. Wir werden auf Sie zukommen«, hatte mein Vorgesetzter vor zwei Tagen am Telefon zu mir gesagt. Er war nur zwei Jahre älter als ich, hatte aber als Juniorchef schon mehr erreicht, als ich mir vorstellen konnte. Mit dieser kryptischen Aussage hatte er mir eigentlich schon offenbart, worauf es hinauslaufen würde. Wenn seine Formulierung bereits so negativ klang, wieso sollten sie sich jetzt noch für eine Übernahme entscheiden?

Ausgelaugt lehnte ich mich an die bodentiefe Scheibe vor mir, die auf dieser Rooftop-Bar als Geländer diente. Darin tauchte mein Spiegelbild auf, legte sich mit müden Augen über die Stadt, die ich seit einigen Jahren mein Zuhause nannte. Schon bevor die ätzende Träne meinen Lidrand rot gefärbt hatte, waren meine Augen blutunterlaufen gewesen, die Haut fahl und trocken, mein Teint fleckig. Deutlich schlechter als jener all der anderen Influencer auf Instagram. Alles an mir war schlechter als alles an anderen Influencern – vielleicht würde ich es daher auch niemals zu etwas bringen.Vielleicht.

Hastig schüttelte ich den Kopf. Nein, scheitern und aufgeben kam für mich nicht infrage. Ich zwang mich, meine Enttäuschung herunterzuschlucken und ein Lächeln aufzusetzen. Niemand sollte merken, dass ich eine Absage bekommen hatte. Niemand sollte merken, dass ich in Wirklichkeit doch scheiterte.

»Ganz ruhig, Amelia, du schaffst das. Du beweist jedem, dass du alles schaffen kannst«, flüsterte ich mir zu, ehe ich ein paarmal tief durchatmete. Schließlich verließ ich den Außenbereich, an dem es so viel ruhiger und angenehmer war, und steuerte den Tisch an, an dem Lana Federica – eine Münchner Influencerin – mit zwei Freundinnen saß.

Vor wenigen Wochen hatten wir uns über Instagram kennengelernt und waren seitdem im Austausch. Mit ihren langen Beinen, die von rostroten Overknees in Schlangenlederoptik umschmeichelt wurden, dem hervorstehenden Kinn, das ihr Profil besonders markant zeichnete, und den sechzigtausend Followern auf Instagram, die meine Community um mehr als das Doppelte übertrumpften, war sie mir um Welten voraus.

Ich wollte mich nicht vergleichen, und doch tat ich es ständig. Wenn ich ein neues Outfitfoto von ihr oder einer anderen Bloggerin sah, kam ich nicht umhin, mich vor den Spiegel zu stellen, meine kleine rundlichere Statur zu mustern und zu denken:hätte, hätte, hätte. Hätte ich auch solche Beine, würden meine Outfitposts vielleicht ästhetischer wirken. Dann hätte ich vielleicht mehr als zwanzigtausend Follower und nun keine Absage der letzten Social-Media-Agentur im Postfach, die noch übrig war. Und vielleicht würde ich dann auch verstehen, weshalb mir all diese Dinge plötzlich so wichtig waren.

»Emilia!«, lallte Lana, bevor ich mich unbemerkt am Rand der runden, mit bunten LEDs beschienenen Couch niederlassen und die restliche Zeit absitzen konnte.

Ich glaubte, dass sie keine Ahnung hatte, wer ich war, wie mein letzter Post aussah und dass ich eigentlich Amelia hieß. In der Welt der Influencer ging es darum, gesehen zu werden und sich zu connecten. Das wusste ich, denn ich wollte in dieser Branche selbst Fuß fassen. Und auch wenn ich Lana schon seit Jahren folgte, ihre Fotos und Outfits wirklich liebte und sie lange Zeit eine Inspiration gewesen war, lag der Grund, weshalb ich diesem Abend mit ihr zugestimmt hatte, nicht lediglich darin, dass sie mir sympathisch war. Um ehrlich zu sein, hatte in meinem Hinterkopf ganz leise und subtil der Gedanke gesteckt, dass ich mich durch ihren Kontakt ebenfalls weiterentwickeln und in der Welt von Instagram weiterkommen könnte. Leider fühlte sich dieses Treffen, das aus viel zu vielem Grinsen, zu vielem oberflächlichen Gerede und viel zu wenigem persönlichen Zuhören bestand, alles andere als natürlich an.

Im Gegensatz zu Lana konnte man mich nicht ausschließlich als Fashion-Bloggerin bezeichnen. Ich war eineIch liebe alles was schön ist-Bloggerin. Architektur, Inneneinrichtung, Poesie, Wörter, Momente, Kleider und auch Nacktheit, Haut, Kunst auf Haut, Kunst auf Straßenschildern und Menschen, die zu Momenten wurden. Im Großen und Ganzen liebte ich das, was die Natur und der Mensch als Kunst hinterließen. Und meine 20,8 Tausend Follower schienen es auch zu lieben. Doch es reichte nicht. Es reichte nicht, um von einer Agentur unter Vertrag genommen zu werden, es reichte nicht, um meine Mutter davon zu überzeugen, dass man auch mit Instagram sein Geld verdienen konnte. Und langsam reichte es auch nicht mehr, um meine eigene Überzeugungskraft aufrechtzuerhalten, dass dieser Traum alles andere als lächerlich war.

Die letzten Wochen hatte ich mich in den Weiten des Internets viel zu häufig mit anderen verglichen. Ich wusste, dass das kontraproduktiv war, mich noch mehr runterzog, doch mein Drang nach Erfolg, der Wunsch, endlich etwas zu erreichen und es allen beweisen zu können, war so groß, dass ich mich langsam, aber sicher vergaß und immer mehr zu etwas wurde, das gewinnbringend sein könnte.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Lana, woraufhin sich alle Augenpaare auf mich richteten. Ihre beiden Freundinnen saßen dicht neben ihr. Eine hübscher als die andere. Während Melisa braune Haare mit sanften pinken Strähnen darin hatte, schimmerte Rominas Mähne honigbraun. Bei allen dreien saß das Make-up wie eine Eins, während sich meine Foundation durch die Hitze, die in diesem Club herrschte, allmählich verabschiedete. In meinem schwarzen Minikleid, das im Sitzen ständig hochrutschte und das ich nur trug, weil ich ein ähnliches letztens an einem schlanken schwedischen Model auf Instagram gesehen hatte, fühlte ich mich redlich unwohl. Doch irgendwie musste ich mich anpassen, irgendwie wollte ich dazugehören. Zu den modischen Influencer-It-Girls. Da konnten meine geliebten knöchellangen Blumenkleider, die sämtliche Speckröllchen im Sitzen versteckten und in denen ich einfach sein konnte, wie ich war, schlichtweg nicht mithalten.

Seit mir ein Mistkerl im Supermarkt mal den Spruch gedrückt hatte, ich würde darin wie ein Kartoffelsack aussehen, fühlte ich mich sowieso viel unwohler. Eigentlich war mir sein Kommentar egal gewesen,er war mir egal gewesen. Wenn ich mich im Spiegel betrachtet hatte, hatte ich früher immer selbstbewusst und stolz gedacht:nicht dick, aber Pasta-Liebe ist definitiv vorhanden.

Keine Ahnung, wo diese Amelia hin war. Instagram und dessen perfekte Welt hatte sie aufgefressen, denn egal, wie aufgebrezelt ich war – neben Lana und ihren Freundinnen fühlte ich mich mit meinen ein Meter sechzig, den breiten Hüften und der Oberweite, die keine ästhetischen Schlüsselbeine zuließ, irgendwie viel kleiner … viel unbedeutender.

»Ja, ich bin nur etwas müde.«

»Du...