: Margret Greiner
: 'Mutig und stark alles erwarten' Elisabeth Erdmann-Macke. Leben für die Kunst
: btb
: 9783641271251
: 1
: CHF 18.00
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Elisabeth Erdmann-Macke, geb. 1888, steht immer noch im Schatten ihres ersten Mannes, August Macke. Die erzählte Biografie versucht, sie in ihr eigenes Recht zu setzen, ihre Talente und Verdienste zu würdigen. In den wenigen Jahren des gemeinsamen Lebens mit Macke war sie ihm Partnerin auf Augenhöhe, hat ihn in seinem künstlerischen Schaffen gefördert und war selbst künstlerisch tätig. 1914 fällt Macke kurz nach Kriegsausbruch. Ihr zweiter Mann. Lothar Erdmann wird 1939 von den Nazis ermordet. Trotz aller Schicksalsschläge gibt die junge Witwe nicht auf, zieht fünf Kinder groß und betreut das Werk Mackes. Ohne ihre Umsicht und Tatkraft wäre ein Großteil der Bilder verloren.

Die Autorin entwirft auf der Grundlage erstmals ausgewerteter Quellen und eingebettet in den historischen Kontext ein lebendiges Porträt dieser außergewöhnlichen Frau.

Margret Greiner studierte Germanistik und Geschichte in Freiburg und München. Viele Jahre arbeitete sie als Lehrerin und Journalistin. In ihren erzählten Biografien hat sie sich immer wieder mit außergewöhnlichen Frauenleben beschäftigt, u.a.'Auf Freiheit zugeschnitten. Emilie Flöge: Modeschöpferin und Gefährtin Gustav Klimts', 'Margaret Stonborough-Wittgenstein. Grande Dame der Wiener Moderne', 'Mutig und stark alles erwarten. Elisabeth Erdman-Macke - Leben für die Kunst'. Margret Greiner lebt in München.

Die Liebe hemmet nichts


Die Liebe hemmet nichts;

Sie kennt nicht Tür noch Riegel

Und drängt durch alles sich:

Sie ist ohn’ Anbeginn,

Schlug ewig ihre Flügel

Und schlägt sie ewiglich.

Matthias Claudius

Die Liebe drängte durch alles sich, schlug ihre Flügel, kannte nicht Tür noch Riegel – bis diese sich eben undurchdringlich schlossen, als August 1904 zum Studium nach Düsseldorf zog. Es war Elisabeth, die den Vorschlag machte, keine Briefe zu tauschen, die Trennung als eine Art Probe zu nehmen, ob die überschwänglichen Gefühle auch Bestand hätten. So ein vernünftiges Mädchen!

August hingegen fiel in den Wochen vor seinem Umzug in tiefe Traurigkeit, der Götterliebling, als der er in Bonn von seinen Freunden und in allen Familien gefeiert wurde, sah schwermütig in die Zukunft. Elisabeth nahm die Veränderungen in seinem Wesen wahr:Er, den das Glück sichtbar bevorzugte, er trug an allem schwer, an seinem eigenen Glück, an der mannigfachen Schönheit der Natur im kleinsten wie im größten, an dem harten Dahinleben mancher Menschen. Ihn ergriff all das im Innersten, und er litt darunter. Das wußten die wenigsten, die ihn kannten; er galt stets als der heitere, glückverbreitende, immer strahlende Jüngling.

Wenn er stundenlang neben ihr herging, ohne ein Wort zu sprechen, schob sie ihre Hand in die seine. Ich bin da, signalisierte sie ihm mit ihrer Geste. Aber an manchen Tagen blieb er umflort, da konnte sie ihn nicht aus seinen trüben Stimmungen reißen.

Angst vor dem Neuen? Zweifel, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, die Schule abzubrechen? Die räumliche Trennung von Lisbeth? Von seiner Familie?

Sein Vater, zunächst voll heftiger Einwände gegen das Kunststudium, hatte ihm den Segen gegeben, den letzten Segen. Denn er war schwer erkrankt, lag seit Wochen im Bett. Vier Wochen nachdem August nach Düsseldorf gezogen war, entdeckte Elisabeth ihn zufällig auf ihrem Schulweg. Er kam offensichtlich vom Bahnhof, das weite Cape flatterte bei seinem stürmischen Schritt, er schien verwirrt, bestürzt. Sie sprach ihn an, doch August stammelte nur: »Mein Vater, sehr krank«, und eilte an ihr vorbei.

Am nächsten Morgen erfuhr sie, dass August zu spät gekommen war, sein Vater war am Morgen des 27. Oktober 1904 gestorben.

Dieser Verlust traf den Sohn hart. Er hatte seinen Vater verehrt, in ihm künstlerische Ambitionen entdeckt, die dieser nicht hatte ausleben können. Stattdessen war er ein erfolgloser Geschäftsmann geworden; von vielen ausgenutzt und hintergangen, hatte er eine Baufirma in den Konkurs getrieben und das Erbe seiner Frau, der reichen Bauerntochter aus dem Sauerland, aufgebraucht. In den Augen der Welt war er ein Versager, in Augusts Augen ein sensibler, liebevoller Mensch, der den harten Realitäten eines Unternehmerlebens nicht gewachsen war. Wie anders war da seine Mutter Florentine, die mutig und zupackend bisher alle Schwierigkeiten überwunden hatte. Als die Familie nahezu mittellos aus dem Sauerland ins Rheinland gezogen war, hatte die Mutter eine Pension eröffnet, um damit einen gesicherten Verdienst zu schaffen. Jetzt, nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, würde sie viele Prozesse gegen betrügerische Mitarbeiter durchzufechten haben, gegen unzufriedene Kunden, die Schadenersatz forderten.

Am Allerseelentag, einen Tag nach der Beerdigung, ging Elisabeth mit August durch die Felder, die altvertrauten Wege. Sie hoffte, ihren