Kapitel Eins
Radio Central
An: Lizzie@gmail.com
Antwort an: Tamsin_Hyde@RadioCentral.com
Betreff: Stellung als Forschungsassistentin
Sehr geehrte Miss Moran,
vielen Dank für Ihre Bewerbung um die Stellung als Research-Assistentin bei Radio Central. Da wir mit Bewerbungen jedoch förmlich überschwemmt wurden, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Sie nicht für ein Vorstellungsgespräch ausgewählt wurden.
Alles Gute und mehr Glück beim nächsten Mal!
Tamsin Hyde
Lizzie wusste, dass viele Leute der Ansicht waren, sie habe sich ihr Unglück selbst zuzuschreiben. Aber so war es nicht. Wirklich nicht. Oder zumindest diesmal nicht. Diesmal hatte man sie zum Sündenbock gemacht, und das war nicht fair. Alles andere als fair!
Sie konnte immer noch nicht glauben, was ihr widerfahren war. Gerade schwamm sie noch ganz oben auf einer Welle ekstatischen Glücks, und im nächsten Moment wurde ihr ohne Grund der Job gekündigt, den sie liebte. Als Folge davon wurde sie auch noch von dem Mann getrennt, in den sie sich verliebt hatte. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, konnte sie mangels eines Einkommens natürlich auch die Miete ihres Apartments nicht mehr bezahlen. Da keiner ihrer sogenannten Freunde ihr vorübergehend ein Zimmer anbot, blieb Lizzie keine andere Wahl, als London zu verlassen und zu ihren Eltern nach Suffolk heimzukehren, bis sie beruflich wieder auf die Beine kam.
Von dem wahren Grund ihres Hinauswurfs bei Starlight Radio konnte sie ihren Eltern natürlich nichts erzählen. Selbst jetzt noch lief es ihr kalt den Rücken hinunter bei der Erinnerung an den peinlichen Moment, in dem ihre Affäre mit Curt ans Licht gekommen war. Um ihren Eltern die pikanten Einzelheiten zu ersparen, hatte sie zu einer kleinen Notlüge gegriffen und ihnen gesagt, die Eigentümer des Radiosenders hätten eine sehr drakonische Einstellung gegenüber Beziehungen am Arbeitsplatz, und da ohnehin umfassende Personalkürzungen bevorstanden, habe man sie der Einfachheit halber bereits jetzt entlassen. Der einzig wahre Teil der Geschichte, die sie ihren Eltern erzählt hatte, war die Sache mit dem rigorosen Verbot von Beziehungen am Arbeitsplatz.
Und so stand sie nun mit zweiunddreißig Jahren wieder hier in ihrem alten Schlafzimmer, umgeben von Stapeln prall gefüllter Müllsäcke und Kartons, und versuchte allen Ernstes das Unmögliche. Denn egal, wie sehr sie sich bemühte, es war einfach nicht genug Platz in den Regalen, Schränken oder Schubladen, um alles unterzubringen, was sie in den zehn Jahren seit dem Verlassen ihres Elternhauses angesammelt hatte.
Verständlicherweise hatte das Schlafzimmer kaum noch Ähnlichkeit mit dem Raum, den sie damals zurückgelassen hatte. Sowie ihre Mutter entschieden hatte, dass eine angemessene Zeit verstrichen war, hatte sie es renovieren lassen und es dann mit geblümten Vorhängen und dazu passender Bettwäsche, duftender Seife aus der Provence und ordentlich gefalteten Handtüchern, die kein Familienmitglied benutzen durfte, zu einem sehr hübschen Gästezimmer umgestaltet.
Lizzie war nun schon seit einer Woche zu Hause und hätte die Unordnung längst beseitigen müssen. Aber die meiste Zeit hatte sie mit manischem Selbstmitleid und dem Verschicken von Bewerbungen verbracht, die alles