: Christina Jonke
: Letzter Vorhang Krimi am Wörthersee III
: myMorawa von Dataform Media GmbH
: 9783991297734
: 1
: CHF 6.80
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
Auch im dritten Krimi am Wörthersee von Christina Jonke ermitteln wieder der Kriminalgruppeninspektor Ben Groß und seine Schwägerin Tonja Stein. Der Baulöwe Walter Zemmler liegt tot am Fuße der Burgruine Leonstain. Motive und potenzielle Täter gibt es im Ort zahlreiche, denn der Mann kannte nur seinen eigenen Vorteil. Da gibt es die delogierte Theatergruppe, die hintergangene Geliebte, eine übervorteilte Ex und einen enttäuschten besten Freund. Und alle haben etwas zu verbergen.

Christina Jonke lebt mit ihrer Familie in Klagenfurt am Wörthersee. Zahlreiche Theaterstücke aus ihrer Feder eroberten bereits im gesamten deutschsprachigen Raum erfolgreich die Bühnen bevor sie sich dem Schreiben von Kriminalromanen widmete. Bereits erschienen: Die alte Villa am See Sushi Taxi Letzter Vorhang Hinter verschlossener Tür

2

„Hierher! Fefi, komm sofort zurück, bei Fuß“, tönt es um die Burgmauer der Ruine Leonstain. Fefi scheint schlecht zu hören. Kein Wunder, sind die Befehle doch vom lauten Verkehrslärm der nahen Autobahn unterlegt.

„Fefi! Bei Fuß“, ruft Sarah Gollner und pfeift gleich auch noch durch die Finger. Da kommt ihre Fefi angerannt, einen Schuh, der größer ist als der Hund selbst, schwer im Maul schleppend.

„Fefi! Aus!“

Der Hund legt den Schuh vor Sarahs Füße und bellt in höchster Rauhaardackelmanier. „Pscht! Im Wald ist man still“, schimpft Sarah, während sie den Schuh betrachtet.

„Wo hast du denn den wieder ausgegraben?“, fragt sie um gleich im Befehlston anzuschließen: „Bring das zurück, Fefi! Zurück!“ Mit ausgestreckter Hand und dem Zeigefinger zeigt sie in die Richtung, aus der Fefi gerade gekommen war. Der Hund schnappt sich seine Beute und läuft davon. Sarah eilt hinterher, ihre Wanderstöcke resolut in den weichen Waldboden stechend. Allerdings keine zwanzig Schritte lang. Dann bleibt ihr schier das Herz stehen. Da liegt ein Mann. Direkt unter der Burgmauer. Da wo sie am höchsten über die Autobahntrasse ragt.

Ganz erfahrene Ehrenamtliche – allerdings Wasserretterin - kniet sie sich neben den Mann hin und versucht seinen Puls zu fühlen. Das wäre allerdings gar nicht nötig gewesen, schaut er sie doch aus toten Augen an. Da ist nichts mehr zu machen. Reflexartig ruft sie den Notdienst, gibt das Problem und die Unfallstelle bekannt: Pörtschach, gleich hinter der Gloriette unter der Burgruine Leonstain.

Nein, sie wird nichts am Unfallort verändern.

Nein, sie wird keine weiteren Spuren vernichten.

Ja, sie bleibt vor Ort, um eine Aussage zu machen.

Das alles verspricht sie, ein mulmiges Gefühl im Magen. Sie hat noch nie einen toten Menschen gesehen. Was war hier wohl passiert, überlegt sie. Ist der Mann unglücklich gestürzt? Hat ihn der Herztod ereilt? Mit der freien Hand streichelt sie ihre Rauhhaardackeldame Fefi. Mehr um sich selbst zu beruhigen, als den Hund.

Sie setzt sich auf einen Baumstumpf. Irgendwoher kennt sie den Mann. Aber sie kommt nicht drauf, um wen es sich handelt. Persönlich kennt sie ihn wohl nicht. Vielleicht ist es irgend so ein B- oder C-Promi, denkt Sarah. Kein schöner Tod. Ob er sich vielleicht sogar selbst in die Tiefe gestürzt hat? Für Liebeskummer ist er wohl schon zu alt, denkt sie. Spielschulden vielleicht? Seine Kleidung ist sichtlich vom Feinsten. Da kennt sich Sarah aus, schließlich arbeitet sie bei einem angesagten Modelabel, das in jeder größeren Stadt eine Niederlassung hat. Da bekommt man einen Blick für edles Tuch – und das war ein solches. Der Schuh scheint auch nicht billig gewesen zu sein. Leder. Rahmengenäht.

„Ah, da sind Sie ja! Sie haben uns angerufen, oder?“ Zwei Polizistinnen in Uniform, gefolgt von zwei Rettungssanitätern stehen plötzlich vor Sarah. Erschrocken steht sie auf.

„Ich habe Sie gar nicht kommen gehört. Ich war so in meine Gedanken vertieft. Ich glaub ich kenne den Mann von irgendwoher. Aber ich komm jetzt einfach nicht darauf, wer er ist“, Sarah ärgert sich über ihren unsicheren Redeschwall, aber da ist es schon zu spät.

„Sie kennen den Mann also? Und haben ihn hier gefunden?“ Sarah nickt und schwört sich gleichzeitig, dass sie keinen einzigen unsachlichen Kommentar mehr abgeben würde. Es reicht schon, dass sie hier nun Rede und Antwort stehen muss, obwohl sie heute eigentlich ihren freien Tag hat und noch ins Sonnenstudio gehen wollte. Das kann sie vergessen.

Die beiden Rettungssanitäter kümmern sich um das vermeintliche Unfallopfer, schauen zu den Polizisten und schütteln bedauernd den Kopf.

Das hätte Sarah ihnen auch zweifelsfrei sagen können, dass da nichts mehr zu machen war.

„Wo ist die Frau, die den Toten gefunden hat?“ Benjamin Groß, Kriminalgruppeninspektor der Klagenfurter Polizeidirektion ist ein wenig außer Atem und fixiert Sarah schon mit einem zielsicheren Blick, noch bevor seine uniformierten Kolleginnen reagieren.

„Ich habe nichts angefasst. Außer den Mann da. Ich musste ja schauen, ob er vielleicht noch lebt, ob ich helfen kann“, rechtfertigt sich Sarah und nimmt Bens Visitenkarte mit der Aufforderung entgegen, am Nachmittag ins Präsidium zu kommen, damit man ihre Aussage zu Protokoll nehmen kann.

Auch das noch, denkt sie. Der Tag ist also vollends gelaufen. „Kann ich dann jetzt gehen?“ will sie wissen und ist froh, als Ben nickt. Denn Fefi kann sich nicht beruhigen und ihr Gekläffe nervt bereits alle. Froh zieht Sarah von dannen, bevor irgendjemand auf den Gedanken kommen könnte, sie noch etwas zu fragen.

„Wer war das?“, will Tonja Stein wissen, die gerade mit ihrem Taxi noch eine Fuhre vom Bahnhof in Krumpendorf zu einer Pension in Techelsberg gehabt hat. Der Tatort lag also quasi auf dem Weg. Ben klärt sie in aller Kürze über die Geschehnisse auf – viel weiß auch er noch nicht. Mittlerweile wuselt es nur so vor Kriminalbeamten in weißen Overalls, die das ganze Gelände um die Burgruine mit den rot-weißen Absperrbändern abgesichert haben und die zu Hauf neugierige Spaziergänger abwimmeln.

„Es gibt hier rein gar nichts zu sehen!“ lautet die Devise, die überhaupt nicht zu stimmen scheint. Schließlich ist es augenscheinlich, dass hier etwas passiert sein muss.

„Selbstmord?“

„Möglich. Vielleicht auch ein Unfall. Herzinfarkt? Was weiß ich? Wir müssen warten, bis uns die Techniker etwas geben“, zuckt Ben mit den Schultern.

„Herr Inspektor! Ich hab da etwas, das Sie interessieren könnte“, ruft der Kriminaltechniker Johannes Ernst auch schon und bleibt erstaunt mit seinem Blick auf Tonja stehen. „Tonja? Das ist aber eine Überraschung! Auf Krimi-Recherche?“

„Jössas. Johannes! Ich wusste ja gar nicht, dass du …“ Ja, was wusste sie nicht? Dass er bei der Kripo ist? Nein, das wusste sie nicht. Nur dass er sich für Kriminelles jeder Art interessiert. Das hat er ihr auf der Party nach der Buchpräsentation erzählt. Ihre erste Buchpräsentation! Was für ein erhebendes Gefühl, das erste Buch veröffentlicht zu haben.

„Träumen kannst du zuhause, liebe Schwägerin! Komm, jetzt“, Benjamin drängt Tonja vor sich auf den schmalen Steig vorwärts, der rund um die Burgruine führt. Sie signalisiert mit einem Schulterzucken in Johannes´ Richtung, dass sie keine Zeit für privaten Tratsch hat.

Vor einer Art Zeltlager ohne Zelt bleiben sie stehen. In einer Asservatenbox liegen schon jede Menge Dinge, eingehüllt in Plastiktüten, zur weiteren Untersuchung.

„Ein ganz spezielles Lager, wie es scheint: vertrocknete Rosen, mindestens zwanzig Teelichter in Gläsern, hier zwei Decken und Pölster in einem Plastiksack, vor Nässe und Krabbeltieren geschützt, eine Plane, die wohl als Dach herhalten musste und das beste…“, Johannes Ernst geht ein paar Schritte zur Seite, hinter eine kleine überdachte Nische, „… zwei Luxusliegen der Marke Manufactum.“

„Ein Liebesnest“, entfährt es Ben und Tonja zeitgleich und alle lachen.

„So schaut es zumindest aus“, bestätigt Johannes. „Wir werden sehen, ob es Querverbindungen zu unserem Opfer gibt, DNA-Spuren. Oder ihr findet heraus, wer hier wen zum traulichen Tete á Tete getroffen hat.“

„Würdest du deine Angebetete hierher einladen? Sex zwischen Mücken und Schlangen?“ Ben schüttelt sich bei dem Gedanken und Johannes winkt verneinend ab.

„Liebesspiele im Freien sind schon etwas Besonderes“, gibt sich Tonja freizügig, betont aber auch, dass ihr Fund hier nach einer Dauereinrichtung aussieht.

„Ein, zwei Mal ist das vielleicht ganz romantisch, aber das hier … also ich hätte ja Angst vor irgendwelchen Tieren, die sich in die Bettwäsche einnisten. Grauslich, irgendwie. Aber umso mehr bin ich darauf gespannt, wer sich hier eingerichtet hat.“ „Herr Inspektor! Da gibt es noch etwas Interessantes“, hört Ben den Kriminaltechniker rufen. Bei jenem angelangt, hält er zwei Trollys in die Höhe.

„Voller Klamotten!“

Neugierig öffnet Tonja den größeren der beiden Koffer und zieht staunend ein weinrotes historisches Kleid mit schwarzem Spitzenbesatz heraus.

„Einen exquisiten Geschmack hat unser Liebespaar“, pfeift Johannes durch die Zähne während Ben einen Gehrock und dazu passende Pumphosen hervorholt. Tonja sucht nach den Kleideretiketten.

„Die sind von einem Kostümversandhaus!“

„Theaterkostüme?“

„Was macht man hier mit Theaterkostümen? Hier ist doch weit und breit kein Theater!“

„Vielleicht hat jemand einfach nur die Koffer...