: George Eliot
: Adam Bede Damals - heute - morgen: Reclams Klassikerinnen
: Reclam Verlag
: 9783159620640
: 1
: CHF 10.90
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 736
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Keine Ménage-à-trois steht im Mittelpunkt von George Eliots erstem Roman, sondern es sind gleich vier Personen, die in einen tragischen Liebesreigen verstrickt sind: Der bodenständige Zimmermann Adam Bede ist in die schöne, aber eigensüchtige Hetty Sorrel verliebt. Doch Hetty strebt nach Höherem als dem eintönigen Leben auf dem Land, und so verfällt sie dem jungen gutaussehenden Arthur Donnithorne, der eines Tages das Anwesen seines Großvaters erben soll. Und dann ist da noch Dinah Morris, Hettys Cousine, eine glühende, tugendhafte und schöne methodistische Laienpredigerin. Vor dem Hintergrund rauer Landschaften und dem beschaulichen Landleben entspinnt Eliot eine sehr persönliche Geschichte, über die sie später sagt: »Ich liebe es sehr und bin zutiefst dankbar dafür, es geschrieben zu haben, was die Öffentlichkeit auch immer darüber sagen mag.« - Mit einer kompakten Biographie der Autorin.

Kapitel 1

Die Werkstatt


Mit einem einzigen Tropfen Tinte als Spiegel unternimmt es der ägyptische Zauberer, einem jeden, der gerade kommen mag, weit in die Vergangenheit reichende Bilder zu enthüllen. Das ist es auch, was ich für dich, lieber Leser, zu tun unternehme. Mit diesem Tropfen Tinte am Ende meiner Feder will ich dir die geräumige Werkstatt des Mr Jonathan Burge, Zimmermann und Baumeister im Dorfe Hayslope, zeigen, so wie sie sich am achtzehnten Juni im Jahre des Herrn 1799 darbot.

Die Nachmittagssonne fiel warm auf die fünf Arbeiter, die dort mit Türen, Fensterrahmen und Täfelungen beschäftigt waren. Der Kiefernduft eines zeltförmigen Bretterstapels vor der offenen Tür mischte sich mit dem Duft der Holunderbüsche, die ihren Sommerschnee dicht vor dem offenen Fenster gegenüber ausbreiteten; die schrägen Sonnenstrahlen schienen durch die durchsichtigen Späne, die vor dem stetigen Hobel flogen, und ließen die feine Maserung des Eichenpaneels, das an der Wand lehnte, aufleuchten. Auf dem Haufen der weichen Späne hatte sich ein struppiger grauer Hirtenhund ein behagliches Bett gemacht, und dort lag er mit der Nase zwischen den Vorderpfoten und runzelte gelegentlich die Brauen, um einen Blick auf den größten der fünf Arbeiter zu werfen, der einen Schild in die Mitte eines hölzernen Kaminaufsatzes schnitzte. Diesem Arbeiter gehörte auch der kräftige Bariton, den man über das Geräusch von Hobel und Hammer hinweg singen hörte:

»Wach auf, mein’ Seel, dem Sonnenlicht

Folge das Tagwerk deiner Pflicht;

Wirf ab schläfrigen Müßiggang …«

Hier musste eine Messung vorgenommen werden, die konzentriertere Aufmerksamkeit erforderte, und die sonore Stimme ging in ein leises Pfeifen über, doch schon erschallte sie mit erneuter Kraft:

»Lass all dein Reden aufrecht sein,

Dein Gewissen licht und klar und rein.«

Eine solche Stimme konnte nur aus einer breiten Brust kommen, und die breite Brust gehörte zu einem kräftig gebauten, muskulösen Mann, fast sechs Fuß groß, mit einem so flachen Rücken und so gerade sitzenden Kopf, dass er, wenn er sich aufrichtete, um sein Werk aus größerer Ferne zu begutachten, das Aussehen eines Soldaten in Rührt-euch-Stellung hatte. Der über dem Ellbogen aufgerollte Ärmel zeigte einen Arm, der wohl den Preis bei Kraftproben gewinnen konnte; doch die lange, geschmeidige Hand mit ihren breiten Fingerspitzen sah geeignet aus für Arbeiten, die Geschick erforderten. In seiner hochgewachsenen Robustheit war AdamBede ein Sachse und machte seinem Namen Ehre; doch das jettschwarze Haar, das durch den Kontrast zu der hellen Papiermütze noch mehr auffiel, und der scharfe Blick der dunklen Augen, die unter kräftig gezeichneten, vo