Buntes Schaf, Babysittingverweigerer, Onkel-Ersatz, Aufklärungsassistentin: Wir sind die Großen!
Heike
Dass Erstgeborene immer besonders brav und angepasst sind, ist ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Dabei wurde die Theorie, die Position in der Geschwisterreihenfolge beeinflusse den Charakter, von der Forschung längst widerlegt. (Und ich werde das auch in diesem Kapitel untermauern!)
Eines jedoch ist sicher: Erstgeborene sind, im Gegensatz zu ihren Geschwistern, für eine gewisse Zeit erst mal Einzelkinder. Logischerweise. Natürlich bringt es für sie eine enorme Veränderung im Leben, wenn sich daran etwas ändert.
Dabei spielt es natürlich eine enorme Rolle, wie groß der Altersunterschied ist. Ich zum Beispiel erinnere mich überhaupt nicht an mein Einzelkinddasein, denn ich war gerade mal anderthalb, als ich zur großen Schwester wurde. Vermutlich auch zu jung, um auf das neue Brüderchen eifersüchtig zu sein.
Holger und ich verbrachten dann einige Jahre lang als Duo, bis der Nachzügler zur Welt kam. Björn war »unser Baby«. Mir machte es viel Spaß, mit dem Kleinen zu spielen. Sehr gern hätte ich noch ein weiteres Geschwisterchen gehabt. Vielleicht eine Schwester? Aber ich blieb – abgesehen von meiner Mutter – das einzige Mädchen in der Familie, und auch als Erwachsene lebe ich in einem reinen Männerhaushalt – sogar der Hund ist ein Kerl.
Das hat mich allerdings nie gestört. Was ich dagegen nicht so toll fand: Wenn meine Eltern mich aufforderten, als Älteste »die Vernünftige« zu sein. Denn das wollte ich gar nicht. Vor allem aber wollten mir meine Brüder sicher nicht nacheifern!
Vorbild sein – wird das von allen ältesten Geschwistern erwartet?
Ich frage Josefine, die sogar drei jüngere Geschwister hat, ob sie ähnliche Erfahrungen gemacht hat.
»Meine Schwestern sind vier beziehungsweise fünf Jahre jünger als ich, mein Bruder sogar zehn«, erzählt sie. »Zunächst fand ich es toll, die Älteste zu sein, zumal meine Geschwister bei unseren Eltern immer unter ›die Kleinen‹ liefen. Ich hatte das Gefühl, auf einer Ebene mit den Erwachsenen zu sein.«
Irgendwann begriff Josefine jedoch, dass die Situation mehr Nachteile als Vorteile mit sich brachte. Vor allem, weil sie ständig auf die jüngeren Geschwister aufpassen sollte.
Im Rückblick wird ihr bewusst, dass sie viel zu früh Verantwortung übernehmen musste. Es wäre besser für sie gewesen, selbst noch länger Kind bleiben zu dürfen.
»Ich war in dieser Familie wie eine dritte Erziehungsinstanz. Das entspricht aber gar nicht meiner Persönlichkeit. Ich will Leuten nicht vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben!«
Auch für die Geschwister war es eher unangenehm, eine große Schwester zu haben, die sich als Erziehungsberechtigte aufspielte. Nicht selten hörte Josefine von ihnen den Satz: »Du hast mir gar nichts zu sagen.«
Sie ist ihren Eltern jedoch nicht böse, dass sie die Familie auf diese Weise organisiert haben.
»Heute würde man vier Kinder nicht mehr so erziehen, aber in den Siebzigern war das nichts Außergewöhnliches. Was man damit für Schäden anrichtet, wusste man damals noch nicht.«
Inzwischen sehen ihre Eltern selbst ein, dass sie Josefine oft überfordert haben – was sie wiederum spannend findet. »Auch im hohen Alter gelang es ihnen also, umzudenken und das eigene Verhalten zu hinterfragen. In dieser Hinsicht sind sie ein echtes Vorbild. Außerdem hat alles Vor- und Nachteile. Vielleicht bin ich heute deshalb so gut im Projektmanagement, weil ich das schon sehr früh gelernt habe. Ich musste schließlich meine Geschwister managen.«
Während sowohl ihre beiden Schwestern als auch ihr Bruder Familien gegründet und jeweils zwei Kinder haben, hat sich Josefine bewusst dagegen entschieden.
»Ich mag meine Nichten und Neffen gerne«, sagt sie, »aber eigene Kinder wollte ich nie. Ich weiß aus Erfahrung, dass die Mutterrolle nicht zu mir passt.«
Zurück zur Ausgangsfrage nach der Sache mit dem Vorbildsein.
»