: Sarah Lark
: Im Schatten des Kauribaums Roman
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783838704326
: Die Kauri-Trilogie
: 1
: CHF 8.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 880
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Neuseeland 1875: Lizzie und Michael Drury haben sich den Traum von einer großen Schaffarm erfüllt, vor ihnen liegt eine verheißungsvolle Zukunft. Doch ihr Leben gerät jäh aus den Fugen, als ihre älteste Tochter Matariki entführt wird - von ihrem leiblichen Vater, dem Maori-Häuptling Kahu Heke ...

Während die Drurys um ihre Tochter bangen, steht der Familie Burton ein scheinbar glückliches Ereignis bevor: Kathleens Sohn Colin kehrt nach Neuseeland zurück. Noch ahnt niemand, was der junge Mann heraufbeschwören wird ...

Zwei Familien sind auf schicksalhafte Weise miteinander verbunden, denn die Vergangenheit lebt in der Gegenwart weiter.

KAPITEL 6 (S. 568-569)

In Dunedin erwarteten Heather Briefe von Chloé und Violet. Letztere klangen fast euphorisch. Violet arbeitete gern für Chloé, Rosie sagte gelegentlich ein paar Worte und half bei den Pferden, Roberta wuchs und gedieh– Joe natürlich auch. Von Eric schrieb sie nichts, aber sehr ausführlich hatte sie sich ohnehin nieüber ihren Gatten geäußert. Heather wusste immer noch nicht, wie es damals zu dieser sehrüberstürzten Eheschließung gekommen war.

Chloé berichtete ausführlichüber die Pferde– manchmal klangen ihre Briefe wie Rennberichte–,über ihre Nachbarn in Invercargill undüber Rosie, in die sie wohl regelrecht vernarrt war. Sie schien das kleine Mädchen mit ihrer Pferdebegeisterung angesteckt zu haben. Beide fieberten dem ersten Fohlen von Dancing Jewel entgegen. Andere Briefe klangen wie Landschaftsbeschreibungen. Chloé schilderte die Schönheit des Fjordlands, die schroffen Berge, die immergrünen Wälder, die vielfältige Vogelwelt.

Von Colin schrieb sie praktisch nichts. Trotz aller Ausführlichkeit enttäuschten Heather die Briefe. Sie las sie immer wieder, um irgendetwas zwischen den Zeilen aufnehmen zu können– Stimmungen, Gefühle,Ängste… Die Freundinnen hatten doch zeit ihres Lebens alles geteilt. Aber jetzt war da gar nichts mehr, Chloés Briefe klangen wie die einer Fremden.»Wir sollten hinfahren«, sagte Heather bedrückt zu Lana, nachdem sie wieder eine lange Abhandlung darüber gelesen hatte, ob die hohe Knieaktion des Hackneys bei Renntrabern erwünscht sein sollte oder nicht.»Irgendwas ist komisch.« Lana zuckte die Achseln.»Wenn sie heiraten, sie werden immer komisch.

Ist Lauf der Welt. Kannst du nichtändern.«»Aber ich…« Heather rieb sich die Stirn. Chloés Briefe verursachten ihr Kopfschmerzen. Lana nahm sie in den Arm.»Guck mal, kleine Kiwi: Sie jetzt hat Mann, hat Pferde, hat Haus. Denkt sie nicht mehr an dich…« Heather schüttelte den Kopf.»Aber das kann nicht sein! Wir hatten immer… also, sie war ja auch damals mit Terrence Boulder verheiratet. Aber da klangen die Briefe ganz anders. Da klangen sie glücklich…« Lana verdrehte die Augen.

»Und jetzt?«, fragte sie.»Klingen unglücklich? Sieh mal so, Kiwi: Tut sie einladen dich? Will sie wissen viel von deine Leben? Sie nach mir fragt? Sie gar nichts tut. Tut nur Pflicht. Weil Pflicht verlangt von brave Mädchen schreiben Briefe an Freundinnen. So ist das, kleine Kiwi. Und jetzt nicht mehr denk an Chloé, denk an London. Hier, sieh!« Sie schob Heather einen ihrer eigenen Briefe zu, das Schreiben ihres Galeristen in London.
Im Laufe der Reise hatte sie ihm immer ihre neuesten Arbeiten zugesandt, und wie es aussah, hatte sie damit in London einen regelrechten Hype ausgelöst.