: Jörg R. Strub, Matthias Kern, Jens Christoph Türp, Siegbert Witkowski, Guido Heydecke, Stefan Wolfar
: Curriculum Prothetik Band 1
: Quintessence Publishing Co Inc USA
: 9783868671780
: 1
: CHF 43.10
:
: Zahnheilkunde
: German
: 392
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Seit seinem ersten Erscheinen im Jahre 1994 hat sich das Curriculum Prothetik zu einem echten 'Renner' unter den deutschsprachigen Prothetikfachbüchern entwickelt. Bei Studierenden, Zahnärzten und Zahntechnikern erfreut es sich gleichermaßen großer Beliebtheit. Als hervorragend lesbare und durchgehend bebilderte Gesamtdarstellung des Faches ist es Standardlehrbuch an zahlreichen deutschen Universitäten. Für die 4. Auflage wurde der Text umfangreich überarbeitet und aktualisiert. Die alten Schwarz-Weiß-Zeichnungen wurden vollständig durch neue, farbige Abbildungen ersetzt, die ein müheloses Verständnis der Materie garantieren. Themen, die in Band 1 behandelt werden: • Historische Entwicklung • Grundlagen • Synoptische Behandlung • Anamnese • Befundung, Planung • Hygienephase • Funktionelle Vorbehandlung • Präprothetische Vorbehandlung

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Die historische Entwicklung der zahnärztlichen Prothetik


Kurt Werner Alt

„Sind die Zähne schon allein zur Erhaltung der Gesundheit wichtig, so sind sie für die Sprache, für die Aussprache und Artikulation der Worte und zur Zierde des Gesichts absolut notwendig.“

(Pierre Fauchard, 1678–1761)

1.1 Einleitung


Die geschichtliche Herausbildung einer medizinischen Spezialdisziplin wie der zahnärztlichen Prothetik (Zahnersatzkunde) kann nicht ohne den Hintergrund der gesamthistorischen Entwicklung gesehen und erörtert werden. Nur eine Betrachtungsweise, die in hinreichendem Maße die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen sowie die technischen Möglichkeiten und geistigen Strömungen der jeweiligen Zeit erfasst, kann Erklärungen dafür liefern weshalb Entwicklungen diesen oder jenen Weg nehmen, geographisch oder zeitlich beschränkt bleiben, und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sie sich durchsetzen und schließlich etablieren können. Die historische Beschäftigung mit den Zähnen darf sich nicht auf Fragen nach den Behandlungsmethoden, nach der Anwendung und Weiterentwicklung von Instrumenten und Materialien reduzieren, sondern sollte immer im Kontext mit den jeweiligen sozialen Verhältnissen und Lebensgewohnheiten der Menschen gesehen werden. Aus diesen Gründen muss in eine Darstellung der Entwicklung der zahnärztlichen Prothetik neben der allgemeinen Medizin- und Zahnmedizingeschichte die Kulturgeschichte angemessen eingebunden sein.

1.2 Heilkunst und Kulturgeschichte


Heilkunde und Pflege, die sich aus ursprünglichen Instinkthandlungen und empirischen Wurzeln entwickelt haben, stellen einen wichtigen Mosaikstein innerhalb der kulturellen Leistungen des Menschen dar. Sie kommen universal vor, unterscheiden sich jedoch inhaltlich aufgrund differierender, kulturell determinierter Vorstellungen von Krankheit und Heilung stark voneinander. Heilhandlungen und Pflegemaßnahmen aus der Frühzeit der Menschheit können lediglich indirekt erfasst werden, und zwar zum einen über archäologische Funde und Befunde, zum anderen durch die Beurteilung und Interpretation biohistorischer Quellen. Als solche zählen die Skelettreste ur- und frühgeschichtlicher Menschen, die häufig Hinweise zur Paläopathologie lie fern und mitunter Spuren durchgeführter Therapien zeigen.

Ein solcher Fund früher zahnmedizinischer Eingriffe wurde in einem steinzeitlichen Gräberfeld in Pakistan getätigt. In diesem 7.500 bis 9.000 Jahre alten Gräberfeld wurden neun Individuen geborgen, deren Zähne Spuren von Bohrungen aufwiesen. Inwieweit diese Eingriffe medizinisch indiziert waren, bleibt jedoch ungeklärt (Coppa et al. 2006). Bei Grabungsarbeiten an einer steinzeitlichen Fundstelle in Ägypten wurde eine aus einer Muschel gefertigte Nachbildung eines menschlichen Schneidezahns gefunden. Da dieser artifizielle Zahnnichtin situ gefunden wurde, kann über seinen Verwendungszweck nur spekuliert werden. Neben der Verwendung als Zahnersatz kann dieser geschnitzte Zahn auch als bloßes Schmuckobjekt gedient haben (Irish et al. 2004).

Unter Berücksichtigung des archäologischen Kontexts ermöglichen so gewo