: Armin Nassehi, Peter Felixberger
: Kursbuch 202 Donner.Wetter.Klima.
: Kursbuch Kulturstiftung gGmbH
: 9783961961337
: 1
: CHF 8.70
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: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 216
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Empörte Aktivisten im Hambacher Forst, wütende SchülerInnen bei den Fridays for Future-Protesten, hitzige Debatten im Bundestag und doch nur ein Schmalspurprogramm zum Klimaschutz, Plastik in den Weltmeeren, Mikroplastik im Trinkwasser, Gletscherschmelze, Tiersterben, Flygskam! Natur- und Klimaschutz sind zum beherrschenden Thema einer übererregten Öffentlichkeit geworden - bis der globale Shutdown die Aufmerksamkeitsökonomie auf andere, viralere Themen lenkte. Bevor aber die Autos auf unseren Auto- und die Flugzeuge auf den Startbahnen die globale Wirtschaft wieder anrollen lassen und der Klimaschutz damit an einem Scheidepunkt steht, nutzen wir die Zeit, und sezieren das Klima der Debattenlage: Wer redet wie, was, wann und wo mit wem? Eisige Winde der Negation, Jetstreams der Erzürnung, Monsunregen der Kritik, Orkane des blinden Aktivismus - kann die Gesellschaft der existentiellen Bedrohung durch die Klimakrise auf diese Weise noch Herr werden? Wir schalten noch einmal zum Klima und durchleuchten, warum uns der Tanz der Perspektiven so durcheinanderwirbelt. Mit Beiträgen von Marlen Gabriele Arnold, Franz Josef Radermacher, Joachim Wille, Jörg Staude, Solvejg Nitzke, Berit Glanz u.v.m.

 ARMIN NASSEHI (*1960) ist Soziologieprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universitä in München, Herausgeber des Kursbuchs und einer der wichtigsten Public Intellectuals in diesem Land. Zuletzt erschien 'Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft'. Im Murmann Verlag veröffentlichte er unter anderem 'Mit dem Taxi durch die Gesellschaft', in der kursbuch.edition erschien zuletzt 'Das große Nein. Eigendynamik und Tragik des gesellschaftlichen Protests'. PETER FELIXBERGER (*1960) ist Herausgeber des Kursbuchs und Programmgeschäftsführer der Murmann Publishers. Als Buch- und Medienentwickler ist er immer dort zur Stelle, wo ein Argument ans helle Licht der Aufklärung will. Seine Bücher erschienen bei Hanser, Campus, Passagen und Murmann. Dort auch sein letztes: 'Wie gerecht ist die Gerechtigkeit?'

Franz Josef Radermacher
Das Rio/Kyoto/Paris-Dilemma
Eine klimapolitische Rekonstruktion verpasster Chancen und ein konkreter Ausweg

Auf den Punkt

Die Weltgemeinschaft ist im Hinblick auf den Klimawandel in einer extrem schwierigen Situation. Es spricht sehr viel dafür, dass das 2-°C-Ziel nicht erreicht werden kann – egal, wie viel Energie und Optimismus Aktivisten mit ihren Durchhalteparolen verbreiten. Wie sind wir in diese Lage gekommen? Der vorliegende Beitrag zeigt, dass zu den Stich­jahren 1990, 2000 und 2010 jeweils gute Optionen bestanden hätten, die Si­tuation massiv zu entschärfen, zum Beispiel über kluge Cap-and-Trade-­­Systeme, wie sie damals diskutiert wurden, kombiniert mit massiven In­vestitionen in naturnahe Lösungen, etwa die Aufforstung zur Erzeugung von Negativemissionen. Letztlich wurden derartige Lösungen nicht re­alisiert, unter anderem, weil die reichen Länder zu »dumm« waren, das von den Entwicklungs- und Schwellenländern geforderte Prinzip der Klimagerechtigkeit zur Aufteilung eines vereinbarten Cap für die weltweiten Emissionen zu akzeptieren. Die Folgen waren ganz andere als er­wartet: Die Welt erlebte ein von China getriebenes hohes Wirtschafts­wachstum, das die Klimasituation massiv verschlechterte. Insbesondere die Industrieländer haben – neben China selbst – von diesen Wachs­tums­prozessen profitiert und so indirekt eine substanzielle Externalisierung von Umweltkosten zur Verbesserung ihrer Wohlstandssituation betrieben. Mit den Folgen müssen wir uns jetzt als Weltgemeinschaft auseinandersetzen – ohne jedoch zu wissen, wie wir der heutigen Situa­tion noch Herr werden können.

Die Lage

Die Welt befindet sich bezüglich der Klimasituation in einem höchst pre­kären Zustand. Einerseits hat sich die Weltgemeinschaft mit dem Paris-­Vertrag auf das Ziel verständigt, den Temperaturzuwachs im Verhältnis zur vorindustriellen Zeit auf höchstens 2 °C, besser 1,5 °C zu beschränken. Andererseits reichen die dafür beschlossenen freiwilligen Maßnah­men der Staaten bei Weitem nicht aus. Diese werden bestenfalls zu einer 3-°C-Erwärmung, unter Umständen auch zu einer 4-°C-Erwärmung füh­­ren. Zudem ist mit den USA der stärkste Akteur aus den Vereinbarungen ausgestiegen. Die weltweiten CO2-Emissionen steigen ständig wei­ter – allen Ankündigungen zum Trotz.

Es ist überdies zu erwarten, dass die seit Kurzem wütende Corona-­Krise die Situation weiter verkomplizieren wird. Während in Deutschland und Europa bis zum Ausbruch der Corona-Krise zum Teil in fast schon panischer Atmosphäre Stimmung gemacht wurde und Elemente einer Klimaplanwirtschaft zulasten der wirtschaftlichen Leistungsfähig­keit und des Lebensstandards diskutiert wurden, sorgten die stärksten Akteure auf dem Globus, also die USA, Russland, China und weitere da­für, dass die Nutzung von fossilen Energieträgern, die das Klimaproblem ver­ursachen, weiter zunahm. Fossile Energieträger sind preiswert. Fos­sile Energieträger bieten sich sehr häufig als die ökonomisch naheliegende Lösung an – gerade auch in Entwicklungs- und Schwellenländern, was nach der Corona-Krise noch mehr das Bild bestimmen wird als zuvor.

China setzt als der mit Abstand größte CO2-Emittent – neben anderen Ansätzen – wie auch Japan und Indien weiter auf den Ausbau der Kohle. Die USA sind mit der forcierten Förderung von Schieferöl und Schiefergas mittels Fracking mittlerweile zum größten Ölproduzenten der Welt aufgestiegen.

Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge kann die Weltgemeinschaft ab 2020 bis 2050 noch e