: Walter Kohl
: Welche Zukunft wollen wir? Mein Plädoyer für eine Politik von morgen
: Verlag Herder GmbH
: 9783451820199
: 1
: CHF 16.60
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Unser Land steht vor kritischen, ja schicksalhaften Jahren. Wie sichern wir dauerhaft Frieden und Wohlstand in Deutschland und Europa? Wie bleiben wir als Volkswirtschaft wettbewerbsfähig? Wie bewältigen wir den Klimawandel? Dieses Buch analysiert die großen Herausforderungen unserer Zeit und zeigt uns, wie wir diese bewältigen können. Bestseller-Autor Walter Kohl fordert einen Mentalitätswandel von uns allen, von Politikern und Bürgern. In seinem leidenschaftlichen Plädoyer stellt er einen 12-Punkte-Plan mit konkreten Lösungen vor. Das Manifest einer Bewegung jenseits der Parteigrenzen. Das Ziel: Unser Land in Ordnung bringen und unsere freiheitliche Demokratie zukunftsfest machen.

Walter Kohl, Jahrgang 1963, ist Volkswirt und Historiker. Nach seinen Studien in den USA, Österreich und Frankreich arbeitete er in einer amerikanischen Investmentbank und in leitender Funktion bei mehreren deutschen Großunternehmen, bevor er mit seiner Frau ein eigenes Unternehmen in der Automobilindustrie gründete und dieses verkaufte. Heute ist er als Unternehmer, Redner und Autor tätig. Er veröffentlichte mehrere Bestseller und ist Gründer der gemeinnützigen 'Initiative Deutschland in Europa'.

Teil 2:

Was tun?


8.
Die Mentalitätsfrage


Eine wesentliche Aufgabe von Politik ist es, Antworten und Lösungen auf die jeweils brennenden Fragen ihrer Zeit zu entwickeln und umzusetzen. Viele dieser aktuellen Herausforderungen wurden im ersten Teil dieses Buches diskutiert und erste Lösungsansätze dargestellt. Im zweiten Teil des Buches greife ich diese wieder auf und stelle die grundsätzliche Frage: Was tun?

Kapitel 9 bietet einen 12-Punkte-Aktionsplan mit konkreten politischen Vorschlägen an. Doch viele dieser Vorschläge werden wir als Gesellschaft nicht umsetzen können, wenn wir nicht auch unsere Einstellung kritisch hinterfragen. Denn viele der Fehlsteuerungen in unserem Land sind das Ergebnis tieferliegender Ursachen in unserer politischen Kultur und Mentalität. Diese können nur gelöst werden, wenn sie erkannt und benannt werden. Wenn ein Baum krank ist, hilft es wenig, die Blätter grün anzumalen, sondern man muss sich um die Wurzeln der Krankheit kümmern. Daher widmet sich Kapitel 8 zunächst der Mentalitätsfrage. Welche Einstellung haben Bürger und Politiker gegenüber unserem Gemeinwesen heute? Und viel wichtiger: Welche Mentalität brauchen wir um unsere Zukunft erfolgreich gestalten zu können?

Oft hören wir bei dieser Diskussion das Schlagwort Politikverdrossenheit. Dies suggeriert, dass das Interesse an Politik und politischer Teilhabe heute niedriger ist, als es früher war. Ein Blick auf die Wahlbeteiligungen bei Bundestagswahlen seit 1949 scheint dies zumindest oberflächlich zu bestätigen, wie auch in vielen anderen westlichen Demokratien. Betrugen die Wahlbeteiligungen in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren fast durchgängig über 85 Prozent, so fielen sie in den 1980ern und 1990ern auf Werte um die 77 Prozent und erreichten 2009 und 2013 mit nur rund 71 Prozent einen historischen Tiefpunkt.1 Der Trend kehrte sich zur Bundestagswahl 2017 mit einer Wahlbeteiligung von 76,2 Prozent wieder um, maßgeblich verursacht durch die Mobilisierung bisheriger Nichtwählern durch die AfD.2 Eine Studie der Bundeszentrale für politische Bildung aus dem Herbst 2019 zeigt, dass das politische Interesse in Deutschland seit Jahren durch alle Altersgruppen wieder ansteigt.3 Gleichzeitig geben in Umfragen nur ein Prozent der Deutschen an, mit der Arbeit der Bundesregierung sehr zufrieden zu sein (während knapp ein Viertel sehr unzufrieden und 44 Prozent weniger zufrieden sind).4 Sind die Deutschen also wirklich politikverdrossen oder vielleicht vielmehr politikerverdrossen?

Politikerverdrossenheit


Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man den öffentlichen Raum in Deutschland entlang weniger politischer Konfliktlinien einteilen, die die Debatten definierten.5 So konnte sich die Sozialdemokratie auf die Unterstützung der Gewerkschaften und großer Teile der Arbeiterschaft verlassen, die Unionsparteien hingegen auf katholische Milieus. In den Volksparteien entwickelten sich Vereinigungen, die Einzelinteressen dieser Milieus kanalisierten und repräsentierten – so beispielsweise die christdemokratische Arbeitnehmerschaft, der Evangelische Arbeitskreis oder die Mittelstandsvereinigung. In der SPD formierten sich drei ideologische Flügel: der konservative Seeheimer Kreis,