: Elmar Nass
: Patrick Peters
: Ziele und Werte 'sozialistischer Marktwirtschaft' Chinas Wirtschaft aus ordnungsethischer Sicht
: Kohlhammer Verlag
: 9783170437487
: 1
: CHF 20.90
:
: Betriebswirtschaft
: German
: 154
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nach Jahrzehnten der Zurückhaltung präsentiert sich die Volksrepublik China heute als selbstbewusste Weltmacht. Dieser beispiellose Aufstieg wäre ohne die rasante gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung kaum denkbar. Dabei gibt der ordnungspolitische Rahmen bis heute Rätsel auf. In der Verfassung ist eine 'sozialistische Marktwirtschaft' festgeschrieben, eine bürokratisch autoritäre Ordnung, in der der Staat und damit die Kommunistische Partei die Regeln vorgeben. Die Staats- und Parteiführung betont zudem verstärkt die nationale Sonderstellung Chinas als Gegenmodell zu den liberalen Gesellschaften des Westens und treibt gewaltige Entwicklungsprojekte voran, die auf politische Dominanz abzielen. Der Autor analysiert die aktuelle Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und legt deren Wertefundament offen. Damit wird das kritische Nachdenken über die Ordnungsethik westlicher Ökonomie und ein verantwortbares Verhalten gegenüber China angeregt.

Prof. Dr. theol. Dr. soc. Elmar Nass ist Inhaber des Lehrstuhls für Christliche Sozialwissenschaften und gesellschaftlichen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie und dort zudem Prorektor.

1China im Fokus der Ordnungsethik – ein neuer Blickwinkel


Die volkswirtschaftlichen Wachstumszahlen Chinas haben in den letzten Jahrzehnten atemberaubende Höhen erreicht. Autoritäre Staatsführung und eingeführte marktwirtschaftliche Elemente und Methoden scheinen eine bislang einzigartige Symbiose zu bilden, deren Erfolg in der freien Welt viele Ökonomen und Ordnungstheoretiker staunen lässt (vgl. Kroeber 2016, S. 260). Prognosen wie die von Harding (2009), nach denen China zunehmend westliche Werte übernehme, sehen sich dabei bislang getäuscht. Gleiches gilt für entsprechende Erwartungen, die mit der Vergabe der Olympischen Spiele nach Peking verbunden waren.

Bildet sich nun mit einer sozialistischen Spielart der Marktwirtschaft eine ernstzunehmende Alternative zu den bekannten westlichen Wirtschafsordnungen heraus, seien sie nun mehr liberal oder sozial geprägt (Vgl. Blum 2020, S. 98, 723)? Xi Jinping ist seit 2012 Generalsekretär der KPCh und seit 2013 Staatspräsident und in dieser Rolle in der Nachfolge von Mao Zedong der „überragende Führer“ der Volksrepublik China.2 Er bekennt sich immer wieder ausdrücklich und programmatisch zu einer „sozialistischen Marktwirtschaft“, welche in der seit 2004 gültigen Präambel der chinesischen Verfassung (Abschnitt 7) als Wirtschaftsordnung vorgegeben ist (Xi 2013a, S. 139).3 Haben dagegen möglicherweise liberale und soziale Marktwirtschaften alter Schule im Wettbewerb der Systeme ausgedient? Der rasante Aufstieg Chinas zur Weltmacht zeigt sich gegenwärtig nicht nur wirtschaftlich als klassische internationale Werkbank, als schier grenzenloser Absatzmarkt auch für westliche Produkte, als kraftvoller Motor internationaler Verflechtungen (so genannte „neue Seidenstraße“), als zentrale Schaltstelle globaler Lieferketten und Innovator neuer digitaler Technologien, sondern zunehmend auch durch politische bzw. militärische Machtdemonstrationen (gegenüber Taiwan, Hong Kong, Philippinen u. a.)4, durch wachsende Resilienz gegenüber Oppositionsbestrebungen und politischer Kritik von innen und außen (etwa in Fragen der Menschenrechte: Tibet, Internierungslager für Uiguren, Handel mit Organen von politischen Häftlingen, Christenverfolgung, Entdemokratisierung von Honkong u. a.), durch engmaschige digitale Überwachung der Bevölkerung, durch die allzu lange No-Covid-Politik mit strengsten Freiheitsbeschränkungen und durch immer offener vorgebrachte hegemoniale weltpolitische Ansprüche. (vgl. Amnesty International Deutschland 2022) Europa, die USA und andere westliche Länder haben vom Aufstieg Chinas lange wirtschaftlich maßgeblich profitiert, viel Kapital investiert, Technologie transferiert und dort Arbeitsplätze geschaffen. Probleme der damit verbundenen Abhängigkeiten wurden aber durch Lieferengpässe in der Corona-Krise offensichtlich. Vieles ist im Wandel, und die Folgen sind noch nicht alle abzusehen. China strebt mehr und mehr nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit. So konnte es seit 1995 seine relative Abhängigkeit von Importen deutlich reduzieren (vgl. Blum 2020, S. 84-87). China setzt inzwischen vor allem auf eine starke Binnennachfrage, schließt die Wertschöpfungsketten, will mit dem provokativen Technologielabel „Made in China 2025“ globale Überlegenheit im Bereich der neuen Technologien demonstrieren und ersetzt im Binnenmarkt zunehmend westliche durch chinesische Produkte, die im Land auch aus patriotischen Motiven besonderen Absatz versprechen. Dies wird auf Dauer Folgen haben für die Absatzzahlen westlicher Produkte in China.

Und im Ausblick auf die immer wieder angekündigte und in absehbarer Zeit auch real mögliche militärische Operation Chinas zur Einnahme Taiwans und eine sich möglicherweise dagegenstellende US-amerikanische Sanktionspolitik wird in Deutschland schon präventiv vor dann diskutierten Maßnahmen gegen China gewarnt, weil wir u