: Peter C. Fischer
: Horst Peters
: Unternehmenskäufe und Unternehmensumstrukturierungen
: Kohlhammer Verlag
: 9783170315709
: 1
: CHF 31.90
:
: Handels-, Wirtschaftsrecht
: German
: 321
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mergers& Acquisitions sowie die strukturelle Neuordnung von Konzernen prägen das Wirtschaftsleben wie kein anderes Phänomen. Jede Betriebswirtin und jeder Betriebswirt muss sich früher oder später mit den grundlegenden rechtlichen Rahmenbedingungen von grenzüberschreitenden Unternehmenskäufen und Unternehmensumstrukturierunge beschäftigen. Dieses Buch bietet einen praxisorientierten und klar verständlichen Einstieg in diese komplexe Materie und stellt den Ablauf von Unternehmenskäufen vom Letter of Intent über den Due Diligence-Prozess bis hin zum Signing und Closing sowie vor- und nachgelagerten Verschmelzungen, Spaltungen und Rechtsformwechseln dar.

Prof. Dr. Peter C. Fischer, M.C.J., Notar a.D. und Attorney at Law (New York), lehrt Wirtschaftsprivatrecht an der Hochschule Düsseldorf.

Teil I   Wirtschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen


 

Der für Unternehmenskäufe üblicherweise verwendete BegriffMergers& Acquisitions(M&A) bedeutet wörtlich Unternehmenszusammenschlüsse (Fusionen) und Unternehmensübernahmen, wird aber meist plakativ als Oberbegriff für alle Varianten von Unternehmenstransaktionen verwendet. Dabei ist zu beachten, dassMerger in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht nur im Sinne einer Verschmelzung i. S.d. Umwandlungsgesetzes (vgl. § 1 I Nr. 1 i.V.m. §§ 2 ff. UmwG) zu verstehen ist. Bei Umstrukturierungen wird oft auch vonRestructuring oder auchReorganisation gesprochen, wobei diese Begriffe vor allem auch auf die Unternehmenssanierung abzielen dürften. Vor dem Hintergrund dieser Begrifflichkeiten wurden die aus rechtlicher Sicht klareren Begriffe Unternehmenskäufe und Unternehmensumstrukturierungen als Buchtitel verwendet. Der Begriff M&A wird in diesem Buch in dem praxisüblichen weiten Verständnis benutzt, die SchlagworteRestructuring undReorganisation werden dagegen eher zurückhaltend verwendet.

Unternehmenskäufe und Unternehmensumstrukturierungen sind insofern eng miteinander verbunden, da vielen Unternehmenskäufen betriebliche Umstrukturierungen vorgeschaltet sind und/oder nachgelagert erfolgen. Daher wird nach einer Einführung in wirtschaftliche und praktische Rahmenbedingungen für beide Bereiche (Teil I) zunächst und schwerpunktmäßig das ThemaUnternehmenskäufe (M&A) (Teil II) und dann das ThemaUmstrukturierungen mit dem Fokus auf dem Umwandlungsgesetz (Teil III) jeweils aus der vor allem in der Umsetzungsphase einer Transaktion maßgebenden rechtlichen Perspektive dargestellt.

1             M&A als zyklisches Phänomen


Mergers& Acquisitions (M&A) prägen das Wirtschaftsleben bereits seit über einhundert Jahren. Dabei verlaufen die M&A-Aktivitäten nicht gleichmäßig, sondern mit wechselnder Intensität. Insoweit wird üblicherweise von M&A-Wellen (Merger Waves) gesprochen, die vor allem von den USA ausgingen und mit immer stärkerer Intensität auch andere Länder erfasst haben. Dabei ist zu beachten, dass der Verlauf dieser M&A-Wellen in den USA deutlich gründlicher erforscht wurde als etwa die entsprechende Entwicklung in Deutschland. Üblicherweise werden (bislang) in den USA sechs M&A-Wellen unterschieden, die in Tabelle 1 dargestellt werden, wobei sich im Detail bei den Darstellungen der Wellen durchaus Unterschiede finden (vgl. hierzu insb.Müller-Stewens in Müller-Stewens/Kunisch/Binder, M&A, S. 21 ff.;Jansen, M&A, S. 72 ff.;G. Picot u. M. Picot in Picot, HdB M&A, S. 3 ff.;Glaum/Hutzschenreuter, M&A, S. 45 ff.;Schmal, Konsolidierungswellen, S. 41 ff.). Zu der Frage einer etwaigen siebenten Welle (dazuJansen, M&A, S. 86 f.) und der aktuellen Entwicklung soll hier nur Folgendes angemerkt werden: Die langfristigen Auswirkungen der Covid 19-Pandemie auf das Transakionsgeschäft sind noch nicht absehbar und im Jahre 2020 wurde das klassische M&A-Geschäft durch massive Rettungsaktionen der Staaten ersetzt. Klar ist nur, dass es früher oder später eine siebente Welle geben wird (vgl.Schalast in Schalast/Raettig, Grundlagen des M&A-Geschäftes, S. 4), voraussichtlich aber erst im Rahmen einer Erholung nach der durch die Corona-Pandemie ausgelösten globalen Rezession.

Bei allen Unklarheiten über Ursachen und Verläufe der Wellen im Detail dürfte die gesicherte und entscheidende Erkenntnis sein, dass es diese zyklischen Verläufe überhaupt gibt und diese wie so viele andere Phänomene im Zeitalter der Globalisierung in immer kürzeren zeitlichen Abständen auftreten. Dabei sollte aber berücksichtigt werden, dass Beobachter bekanntlich dazu neigen, die jüngere Vergangenheit überzubewerten und mögliche übergreifende historische Entwicklungen noch nicht richtig einordnen können.

2             Deutsche Besonderheiten


In Deutschland kommt den Jahren nach 1990 auch in der Wirtschaftsordnung und bei Unternehmenskäufen eine große Bedeutung zu, da hier mehrere wichtige Faktoren zusammenkamen (vgl. hierzu insb.Schiessl in Meyer-Sparenberg/Jäckle, M&A, § 1 Rd. 2 ff.): Neben der Überführung der sozialistischen Planwirtschaft der ehemaligen DDR in die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland über umfangreiche Privatisierungen durch die Treuhandanstalt in Folge der Wiedervereinigung (vgl. insb. §§ 11 ff. TreuhandG) wurde die sog.»Deutschland AG «, also das System wechselseitiger Beteiligungen der großen deutschen Unternehmen, nach und nach insb. durch die Abschaffung der Besteuerung von Gewinnen aus der Beteiligungsveräußerung beendet (vgl.Jansen, M&A, S. 29). Auch

Tab. 1: M&A-Wellen aus der US-Perspektive im Überblick

kam es bei bedeutenden staatseigenen Unternehmen der »alten« Bundesrepublik wie der Deutschen Bundespost (heute Deutsche Telekom AG, Deutsche Post AG und die unselbständige Postbank) dem Zeitgeist entsprechend zuPrivatisierungen undBörsengängen (der IPO der Deutsche Telekom AG war hier besonders prägend). Dies wiederum führte zu einer relativen Stärkung des traditionell wenig entwickelten deutschen Kapitalmarkts im Vergleich zur vorher von Kreditvergaben durch Universalbanken dominierten deutschen Wirtschaft. Mit dieser Entwicklung einher ging in der Bundesrepublik auch einrechtskulturellerWandel hin zu einer stärkeren Professionalisierung des Wirtschaftsrechts entsprechend internationalen (und damit vor allem angloamerikanischen) Standards.

Beispiele: Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein in der Bundesrepublik Deutschland Insiderhandel nicht strafbar war (vgl. heute Art. 8, 14 MMVO i.V.m. § 119 III WpHG), Bestechung von Geschäftspartnern im Ausland nicht nur in Deutschland nicht strafbar war, sondern im Inland sogar als»nützliche Aufwendungen« steuermindernd geltend gemacht werden konnte (im Jahre 2002 wurde die Strafbarkeit der Bestechung im privaten Sektor auf Auslandssachverhalte erweitert, § 299 III StGB a. F./§ 299 I, II StGB n. F.), öffentliche Übernahmen nur auf freiwilliger Basis reguliert waren (durch den Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission) undCompliance begrifflich völlig und inhaltlich weitgehend unbekannt war (mögen deutsche Gerichte im Nachhinein auch anderes unterstellen, vgl. etwa LG München I vom 10.12.2013, NZG 2014, 345, 349).

Einer der grundlegenden Unterschiede in der Wirtschaftsordnung zwischen den USA und Deutschland ist, dass die deutsche Wirtschaft und das deutsche Recht entsprechend den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft traditionell einemStakeholder Value-Ansatz folgt, bei dem die Interessen aller berechtigten Anspruchsgruppen eines Unternehmens wie Eigentümer, Unternehmensführung, Arbeitnehmer und Lieferanten Berücksichtigung finden (vgl. insoweit z. B. die Präambel des DCGK). Das Grundgesetz enthält in Art. 20 I GG zwar das Sozialstaatsprinzip und schützt die Koalitionsfreiheit (Art. 9 III GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) ebenso wie das Eigentum und das Erbrecht (Art. 14 GG) als Grundrechte, enthält aber keine verfassungsrechtliche Festlegung auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung (vgl.Scholz in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 12 Rd. 85 ff. m. w. N.); ganz im Gegenteil würde Art. 15 GG sogar die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln ermöglichen, wovon allerdings in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie Gebrauch gemacht wurde. In den USA dominiert dagegen traditionell derShareholder Value-Ansatz (mag dieser Ansatz in jüngster Zeit auch in den USA verstärkt in Frage gestellt werden).

Die Einbeziehung der Arbeitnehmer zeigt sich in Deutschland z. B. in Form der unternehmerischenMitbestimmung (Co-Determination), die bei dem deutschen dualistischen System derCorporate Governance aus Vorstand und Aufsichtsrat (two-tier system) führt dazu, dass bei deutschen Kapitalgesellschaften ab 500 Arbeitnehmern ein Aufsichtsrat einzurichten ist, der zu 1/3 mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen ist (§ 1 DrittelbG). Bei...