: Jürgen Meyer
: Fachdidaktik Englisch - Fokus Literaturvermittlung Eine hermeneutische Analyse von Lehrwerken der gymnasialen Oberstufe
: Narr Francke Attempto
: 9783823303350
: 1
: CHF 50.50
:
: Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
: German
: 312
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Seit den Lehrplanreformen der frühen 2000er Jahre hat sich der Stellenwert von Literatur im Englischunterricht verändert: Die Vermittlung sprachlich-kommunikativer und handlungsorientierter Kompetenzen ging zulasten der literarischen Interpretation mit ihrem Bemühen um ein Verstehen der Vieldeutigkeit von literarischen Texten. Es zeigt sich, dass das Bemühen um lebensweltliche Bezüge zur Realität der Leser:innen nicht immer zu Umgangsweisen mit Texten führt, die der erfolgreichen Ausbildung von literarischer Kompetenz zuträglich sind. Diese Studie vergleicht Unterrichtsmodule aktueller Lehrwerke (Camden Town, Context, Green Line Oberstufe und Pathway Advanced) und legt an ihnen dar, wie Literatur wieder als Literatur betrachtet werden kann. Thematisch rücken neben Ausschnitten aus Shakespeares Werken vor allem Dystopien und Science Fiction des 20. und 21. Jahrhunderts in den Vordergrund.

Apl. Prof. Dr. Jürgen Meyer forscht und lehrt zurzeit im Bereich Fachdidaktik Englisch an der Universität Vechta.

1.2Lehrwerkforschung: Ansätze, Methoden, Ergebnisse und Desiderata


Vor der eigentlichen Betrachtung der hier zu untersuchenden Englisch-Lehrwerke in Kapitel 2 richtet sich im Zuge dieses Einführungskapitels die Aufmerksamkeit in Abschn. 1.2 auf die wichtigsten Aspekte der Lehrwerkforschung und in Abschn. 1.3 auf wichtige Impulsgeber für curriculare Orientierungsraster. Abschn. 1.4 schließt mit den praxeologischen Konsequenzen an, die den Literaturunterricht seit der Implementierung dieser Orientierungsraster geprägt haben. Hier sind zentrale Konzepte zu erläutern, die für die Analysen in Kapitel 2 von zentraler Bedeutung sind. Abschn. 1.5 liefert abschließend einen inhaltlichen Aufriss der Studie.

Ansätze. Auf einer grundlegenden Theorie des (fremdsprachlichen) Lehrwerks basiert diese Studie mit ihrem Fokus auf der Vermittlung von Literaturkompetenzen nicht (als Teilmenge der curricular definierten Text- / Medienkompetenzen); nicht zuletzt auch in Ermangelung einer solchen, wie Lies Sercu in ihrem Beitrag zurRoutledge Encyclopedia of Language Teaching and Learning formuliert: „there is no universally recognized theory of the textbook“ (Sercu 2004: 626). Sie begründet diesen Sachverhalt u.a. damit, dass über den Umgang der Lehrkräfte mit dem Lehrbuch im Klassenzimmer zu wenig bekannt sei, ebenso wie zur Effizienz der Arbeit mit Lehrwerken, und dass die Einflüsse auf die Konzeption und Gestaltung von Lehrwerken zu vieldimensional seien, als dass sie zu einer solchen führen könnten.

Gleichwohl lohnt sich zunächst ein kurzer Blick auf die methodischen Ansätze der Lehrwerkforschung. Diese erscheint aus fachdidaktischem Blickwinkel (nicht nur mit Sicht auf den Fremdsprachenunterricht Englisch) trotz neuer Impulse aus dem zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts als ein weitgehend vernachlässigtes Feld. So bilanziert die Anglistin Daniela Elsner noch 2016: „Trotz ihrer Rolle sind Lehrwerke und ihr Einsatz im Fremdsprachenunterricht nur wenig erforscht“ (Elsner 2016: 443). Jedoch ist nicht zu übersehen, dass gerade aus der Anglistik schon früh wichtige Impulse für die aktuelle Lehrwerkkritik kamen. Denn für den deutschsprachigen Raum reichen die Wurzeln der Erforschung des fremdsprachlichen Englischunterrichts mehr als fünf Jahrzehnte zurück (Sauer 1964, Heuer 1973, Bung 1977, Neuner 1979). Die erste Generation von empirischen Studien entstand in der „doppelten Umbruchsituation des Unterrichts in den 1970er Jahren mit der Einführung der kommunikativen Didaktik und der Gesamtschule“ (Funk 2019: 364), aber aus heutiger Sicht sind sie aufgrund stark veränderter institutioneller, curricularer und methodischer Rahmenbedingungen kaum mehr jenseits historischer Einordnungen aussagekräftig. DieSystematische Lehrwerkanalyse (Bung 1977) kann aus heutiger Sicht als Initialzündung für empirische Untersuchungsverfahren in der englischen Fachdidaktik gewürdigt werden, ebenso wie die AufsatzsammlungZur Analyse fremdsprachlicher Lehrwerke (Neuner 1979).

Diese älteren Studien weisen die Gemeinsamkeit auf, die Vorzüge des seinerzeit innovativen kommunikativen Ansatzes (Communicative Language Teaching) innerhalb der Fremdsprachendidaktik gegenüber dem bis dahin praktizierten audiolingualen Lehransatz herauszustellen. Damals mussten Lehrwerkgestalter also eher auf sich verändernde didaktische Vermittlungsmethoden und reformierte Lern- / Lehrmodelle reagieren, die jedoch in großen