: Katja Günther
: Selbstcoaching in der Wissenschaft Wie das Schreiben gelingt
: UTB
: 9783846353691
: 1
: CHF 11.60
:
: Ausbildung, Beruf, Karriere
: German
: 134
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wie können Wissenschaftler*innen ihren Universitätsalltag verbessern? Dieses Selbstcoaching-Buch lädt Wissenschaftler*innen ein, ihre Arbeits- und Schreibprozesse neu zu gestalten. Sie entdecken die Bedingungen ihrer Schreibproduktivität und überprüfen den eigenen Arbeitsalltag mithilfe von Coachingfragen. Im anforderungsreichen Forschungsalltag werden so mehr Lebensqualität und Freiräume gewonnen: für ein gutes und produktives Schreibleben.

Katja Günther ist Romanistin/Anglistin, Gestaltherapeutin und systemischer Coach (DgfC), Ausbildung am Institut für Positive Psychologie, begleitet bereits seit vielen Jahren Menschen durch den oftmals mühsamen Prozess ihrer Abschlussarbeiten, Mitgründerin Schreibaschram Berlin

[20] Vor dem Schreiben


Schreiben und Lesen durchdringen sich bekanntlich gegenseitig – beim kreativen Schreiben genauso wie beim wissenschaftlichen Schreiben. Nur wenn Sie viel gelesen haben und sich Ihr Fachgebiet und seinen Kontext lesend anverwandeln, werden Sie auch gut schreiben können. Ihr Wissen und die von Ihnen gezogenen Verbindungen zwischen Texten, Einzelgedanken und Theorien anderer wissenschaftlich Schreibender kondensieren erst durch Ihr Schreiben zu einem fundierten, wissenschaftlichen Anforderungen standhaltenden Text.

Da der Hauptfokus in diesem Buch vor allem auf dem Schreiben und einem gelingenden Schreibleben liegt, möchte ich hier nur kurz betonen, dass Ihre Recherche- und Lesezeit ebenso wichtig für Ihr inneres Wissen ist, aus dem Sie dann originäre Gedanken und frische Thesen für eigene Texte generieren werden. Immer wieder werden Sie auch Zeiträume einplanen müssen, in der Sie konzentriert Bücher, Aufsätze und Hintergrundtexte zu Ihrem Thema lesen. Das mutet oft einfacher an, als selbst Texte zu verfassen, und so ist das auch eine bekannte Strategie, um dem manchmal so mühseligen Schreibprozess zu entgehen: dieses Immer-wieder-doch-nochetwas-lesen-müssen, weil Sie irgendwie meinen, dass Sie niemals genug gelesen haben, um wirklich eigene tragfähige Gedanken aufs Papier zu bringen, die im großen Kontext der Sekundärliteratur Bestand haben. Daran stimmt, dass es notwendig ist, sich in den Primärquellen sowie der Sekundärliteratur sehr gut auszukennen und dafür genau zu exzerpieren, um schon Gedachtes nachvollziehbar werden zu lassen und mit Quellen zu belegen. Das Aufschreiben[21] der eigenen Denkprozesse macht einem dann ebenfalls klar, was man noch nicht genau verstanden hat oder was wesentlich für die eigene Gedankenführung ist. Sie müssen also beides tun: lesenund schreiben im Wechsel! Irgendwann werden Sie dann einen Endpunkt setzen, entscheiden dass Ihr Text reif ist, um ihn in den wissenschaftlichen Diskurs zu entlassen. In gewisser Weise vorläufig, unvollständig und fehlerhaft bleibt jeder Text.

Manchmal muss man sich beim Lesen sehr zum Exzerpieren zwingen, liest es sich doch viel süffiger, wenn Sie einfach nur sitzen und loslesen können. Beim Lesen selbst denkt man, ach, das ist ja interessant, das merke ich mir. Doch das kann zu einer Falle werden. Einige meiner Klientinnen und Klienten erleben in der Endphase Ihrer Promotion oder bei anderen größeren Textvorhaben zu ihrer Bestürzung, dass sie doch nicht mehr genau wissen, wo sie etwas gelesen haben, und dann Gedanken und Textteile nicht genau zuordnen können, was zudem die Angst vor ungewolltem Plagiieren schürt. So kann es zur Qual werden, eine vollständige Bibliographie zusammenzustellen oder bestimmte Zitate wiederzufinden. Wie genau Sie exzerpieren, werden Sie im Laufe Ihres wissenschaftlichen Lebens bereits herausgefunden haben. Egal, ob Sie per Hand auf Karteikarten oder im virtuellen Zettelkasten arbeiten, wichtig ist vor allem, dass Sie es tun. Die Exzerptzeit ist eng mit Schreiben verbunden, d