: Paul Bekker
: Beethoven Leben im Werk
: apebook Verlag
: 9783961302031
: 1
: CHF 2.60
:
: Biographien, Autobiographien
: German
Anlässlich des 250. Geburtstags Ludwig van Beethovens legt der apebook Verlag diese hochgelobte Biographie von Paul Bekker über den weltberühmten Komponisten neu auf. Das vorliegende Buch erlebte in der Vergangenheit insgesamt 40 Auflagen. Der Schwerpunkt dieser Monographie liegt dabei allerdings nicht auf dem Lebensweg oder auf biographischen Details. Vielmehr geht es Bekker darum, anhand der Beschreibung der einzelnen Werke, des dahinter verborgenen Ideengehalts und der kulturgeschichtlichen Einordnung die künstlerische Entwicklung des Ausnahmetalents aufzuzeigen. Der Leser erfährt Beethovens ?Leben im Werk?. Die beiden tabellarischen Anhänge der Originalausgabe wurden für die elektronische Darstellung formal vereinfacht. Die historischen Abbildungen wurden neu ins Buch eingefügt. Die Rechtschreibung (die historischen Zitate ausgenommen) wurde der heutigen Schreibweise angepasst. Der Umfang des Werkes entspricht ca. 600 Buchseiten.

II. Aus seinen Lebenskreisen


Das Bestreben, die Persönlichkeiten bedeutender Menschen stets aus idealisierender Perspektive zu betrachten, hat allmählich eine Beethovenvorstellung geschaffen, die sich mit der Wirklichkeit nur noch in wenigen Punkten deckt. Man erzählt, Beethoven sei ein unpraktischer, mit den Grundsätzen der Lebensklugheit, mit den Formen des gesellschaftlichen Umgangs wenig vertrauter Mensch gewesen, der sich im Leben schwer zurechtgefunden habe. Einige Anekdoten gelten als Beweise für diese Auffassung. Der Hinweis auf Beethovens Taubheit vervollständigt die Zeichnung, und ohne Schwierigkeit ist das Bild des unerfahrenen, urteilslosen Beethoven fertig. Wie könnte auch ein Mensch, der sich in seinem Schaffen allem irdischen Treiben entfremdet, von den Geschäften des gemeinen Lebens, von der wahren Natur menschlicher Charaktere eine zutreffende Vorstellung haben? Er glaubt, die Welt ist so, wie er sie sich erträumt, und zieht sich schmerzlich berührt in sein Inneres zurück, sobald ihm die tägliche Erfahrung einen Streich spielt.

Die Ergebnisse der historischen Forschung führen zu wesentlich anderen Anschauungen. Manche wissenswerten Einzelheiten aus Beethovens Leben sind festgestellt, von Erdichtungen und willkürlichen Ausschmückungen gesäubert worden. Vergleicht man auf Grund der als wahr nachgewiesenen Tatsachen den vom Schimmer romantischer Sagen verklärten Beethoven mit dem Mann der Wirklichkeit, so ergibt sich die Notwendigkeit einschneidender Korrekturen. Es zeigt sich, dass wenige Musiker eine ähnlich klare und sachliche Auffassung der Außenwelt gehabt haben, dass Beethoven in der Beurteilung seiner Mitmenschen sich selten zum Guten, häufig zum Schlimmen irrte – gewiss kein Charakteristikum eines idealistischen Träumers. Seine Lebensführung, so seltsam sie auch zuweilen erscheinen mag, entspricht einer bewunderungswürdigen Zweckmäßigkeit und zeugt von einem scharfblickenden, alle realen Verhältnisse richtig und nüchtern beurteilenden Geist.

Gewiss war Beethoven nicht der Mann, der in den Geschäften des Alltags aufging. Seine Kunst stand ihm höher als die Interessen des Lebens. So mochte es vorkommen, dass er in der Ekstase des Schaffens zeitweilig die Wirklichkeit vergaß und nichts mehr von der umgebenden Welt wusste. Wenn er in solchem Zustand seinen näheren Bekannten völlig erdenentrückt schien, wenn er sein Äußeres so weit vernachlässigte, dass er zur Zeit der Messekomposition einmal als Vagabund von der Polizei aufgegriffen und in festes Gewahrsam gebracht wurde, so zeugen solche Zustände wohl von der übermächtigen, durch nichts zu verdrängenden Gewalt seiner Inspiration – aber sie sind doch nur Ausnahmen. Sie geben kein Recht zu verallgemeinernden Rückschlüssen.

Besondere Sorgfalt für sein Äußeres war freilich niemals Beethovens Art. Schon als Kind fiel er durch unordentliche und unsaubere Kleidung auf. „Was tut das“, erwiderte er, als man ihn tadelte, „wenn ich einmal ein Herr werde, dann wird mir das keiner mehr ansehen.“ Der Verkehr mit Breunings und ihren Kreisen