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Es war Mittwoch, der 3. Juni 2015, nach Unterrichtsschluss. Als der Schulgong ertönte, verließen mein Kumpel und ich mit hochgekrempelten Hosen im „Hipster Style“, wie es zu der Zeit cool war an unserer Schule, als Erste das Klassenzimmer.
Gemeinsam mit den anderen Schülern strömten wir dem Ausgang entgegen, hinein in ein langes freies Wochenende. Nachdem wir uns von allen möglichen Leuten verabschiedet hatten, suchte ich nach meiner Schwester. Eigentlich ging sie auf eine andere Schule, hatte an diesem Mittwoch jedoch wegen eines pädagogischen Tages keinen Unterricht und war deshalb in einer unserer Klassen zu Besuch, um sich unsere Schule anzuschauen. Irgendwann fand ich sie, und gemeinsam mit ein paar Freunden machten wir uns auf den Heimweg.
Gerade war ich dabei, mehr oder weniger erfolgreich die 8. Klasse abzuschließen, und besuchte dazu die Freiherr-vom-Stein-Schule. Das ist ein Mittelstufengymnasium mit Schwerpunkt Musik, was bedeutet, dass dort Musik an erster Stelle steht und auch dementsprechend stark gefördert wird.
Leider muss ich gestehen, dass Musik absolut nicht mein Ding war, denn ich hatte sie einfach nicht im Blut. Spaßeshalber behauptete meine Mutter sogar, dass man, wenn ich ein Lied summte, den Titel nur erraten könne, da sowohl Töne als auch Melodien derart falsch, wären, dass man es beim besten Willen nicht erkennen konnte.
Meine Mum und ich
Trotz meiner eher unmusikalischen Seite hatte ich einige Jahre lang Klavierunterricht. Eine weitaus größere Leidenschaft hatte ich aber für das Theaterspielen. Mit 10 Jahren fing ich im Kindertheaterprojekt Wetzlar an und wirkte später auch im Jugendtheater mit. Allerdings war ich kein Streber, auch wenn dies angesichts des für einen Jungen meines Alters eher ungewöhnlichen Hobbys auf den ersten Blick vielleicht so erscheinen mag. Nein, ganz sicher war ich das nicht, eigentlich war sogar genau das Gegenteil der Fall: Ich war stinkend faul und tat für die Schule nur das Nötigste.
In den Augen des stellvertretenden Schulleiters war ich gar der Unruhestifter Nummer eins. Wenn die Damen unseres Schulkiosks beispielsweise durch eine Gruppe Schüler bei ihrer Arbeit gestört wurden, war immer ich es, der in sein Büro zitiert wurde. Unabhängig davon, ob ich bei dieser Gruppe überhaupt dabei gewesen war oder nicht. Er hatte mich einfach auf dem Zeiger, zugegebenermaßen nicht ganz ohne Grund.
Damals sah ich einfach keinen tieferen Sinn darin, meine kostbare Freizeit der Schule zu opfern, und zeigte das auch deutlich. In dieser Zeit gab es meines Erachtens wichtigere Dinge zu tun, als mich stundenlang an meinen Schreibtisch zu setzen und zu lernen. Ganz allgemein war ich so gut wie nie zu Hause, sondern liebte es, mit Freunden draußen unterwegs zu sein. Man kann also behaupten, dass ich das Leben in vollen Zügen und ohne Verpflichtungen genoss.
Auf der Suche nach „meinem“ Sport hatte ich Fußball und andere Ballsportarten ausprobiert und festgestellt, dass ich damit irgendwie nicht viel anfangen konnte. Doch war mir klar: Ich musste meinen Körper spüren, um mich lebendig zu fühlen. Im Parkour hatte ich schließlich die Sportart gefunden, die zu mir passte und mich total erfüllte.
Beim Parkour geht es darum, schnellstmöglich von Punkt A zu Punkt B zu gelangen und diverse Hindernisse, die sich auf der Strecke auftun, möglichst schnell und elegant zu überwinden. Kombiniert mit dem traditionellen Freerunning muss man im Wettkampf außerdem beim Überwinden der Hindernisse möglichst spektakuläre Stunts vollführen: Eine Rolle zum Beispiel ist essenziell, um