: Ander Izagirre
: Der Berg, der Menschen frisst In den Minen von Potosí, Bolivien
: Rotpunktverlag
: 9783858699725
: 1
: CHF 17.90
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: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 280
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der rohstoffreiche Berg Cerro Rico de Potosí in Bolivien ist Teil einer globalen Kette, die außergewöhnlichen Reichtum mit bitterster Armut verbindet. Am Anfang der Kette steht ein vierzehnjähriges Mädchen, das in einer Silbermine arbeitet. Für zwei Euro pro Nacht schiebt die Halbwaise Alicia einen Wagen voller Steine durch die unterirdischen Stollen, um die Familie mitzuernähren. Der giftige Staub der Mine schwebt in der Luft, die sie einatmet, und sickert ins Wasser, das sie trinkt. Anhand von Alicia, ihrer Familie und des Ortes, an dem sie lebt, erzählt der anerkannte, investigativ arbeitende Journalist Ander Izagirre die Geschichte des »Rohstoffsegens« in Bolivien: von den Conquis­tadores, die Mineralien in Sklavenarbeit abbauen ließen, über den Aufstieg einer lokalen Oligarchie im 19. Jahrhundert bis hin zu einer Reihe von Militärdiktaturen, oft installiert mithilfe der USA, um die Rohstoffversorgung des Nordens zu sichern. Izagirre zeigt, wie die Arbeitsbedingungen und fehlende Sicherheitsvorkehrungen in den Minen ein patriarchalisches Gesellschaftssystem hervorgebracht haben, in dem traumatisierte und durch Alkohol betäubte Bergleute erlittene Gewalt an Ehefrauen und Kinder weitergeben. Das Ergebnis ist eine einzigartig fesselnde Mischung aus Memoiren, Reportagen, Reiseberichten und historischen Texten, die an die Sozialreportagen von Ryszard Kapuscinski erinnert.

Ander Izagirre, 1976 im spanischen San Sebastián geboren, schreibt als freischaffender Journalist und Autor über Kriegsverbrechen in Kolumbien, die Mafia auf Sizilien und Überlebende von Tschernobyl, aber auch über Sport und Reisen. Seine Beiträge erschienen unter anderem in El Paìs, El Correo, National Geographic sowie auf CNN. 2015 erhielt er den European Press Prize.

Der Baron und die Prinzessin


Als ich nach Bolivien zurückkehre, sind seit meinem ersten Besuch zwei Jahre vergangen.

Ich fahre nicht direkt nach Potosí. Mit dem Bus reise ich von La Paz nach Oruro, um das zum Museum gewordene Haus von Simón Patiño zu besuchen – dem bankrotten Bergarbeiter, der genau an die richtige Stelle eine Dynamitkartusche legte und zum fünftreichsten Mann der Welt wurde. In Oruro werde ich auch Dora Camacho interviewen, die Vorsitzende des Komitees der Bergarbeiterhausfrauen, jenen, die eine Militärdiktatur stürzten und jetzt ertragen müssen, dass die Bergmänner sie auslachen, wenn sie versuchen, auf Versammlungen zu sprechen.

Dann begebe ich mich von Oruro nach Llallagua. Der Bus fährt Richtung Süden über eine 3800 Meter hohe Ebene. Aber vielleicht ist »fahren« nicht das passende Verb. Auf dem andinen Altiplano gleitet ein Bus dahin. Ich spüre die leichten Bewegungen und das Schnurren des Motors, stundenlang, nehme vage wahr, dass wir vorwärtskommen, aber am Fenster ziehen die gleiche braune Ebene und der gleiche blau-weißliche Himmel vorbei. Das langsame Tempo und der stark hochtourige Motor des Busses verstärken den Eindruck von Ozean, als ob er gegen die Wellen stampfen würde.

Schuld ist die Höhe. Hier oben, so weit oben, fast viertausend Meter über einem nicht vorstellbaren Meer, verliert die Atmosphäre an Druck und die Moleküle zerstreuen sich. Wenn ein Motor auf dem Altiplano Luft ansaugt, kommen viel weniger Sauerstoffmoleküle an als auf Höhe des Meeresspiegels. Zum Vergleich: Wenn er an der Küste 100 Moleküle ansaugt, sind es auf dem Altiplano lediglich 55. Bei so wenig Sauerstoff verbrennt der Motor nur w