Domenico Pompili
Die ökologische Krise der Erde ist letztlich eine Krise der technisch-naturwissenschaftlichen Zivilisation, und sie bildet den Hauptanklagepunkt gegen einen der Mythen unserer Zeit: den Fortschritt. In der Krise steckt insbesondere jenes demagogische Modell, das nicht nur zu einer Verschärfung des Gefälles zwischen Nord und Süd, sondern, weitaus radikaler, zu einer Entwertung menschlichen Lebens geführt hat. Die Umweltproblematik wird somit zur »Chiffre« der Misere der Menschheit.
Das erklärt den Stellenwert der Gedanken von Papst Franziskus, wenn er der Frage nachgeht, »was unserem Haus widerfährt«1. Seine Analyse setzt bei den tieferen anthropologischen und ethischen Ursachen an, die dieser Misere zugrunde liegen. Auf diese Weise versucht er, die kulturellen Grundschemata zu beleuchten, auf denen unser heutiger Wachstumsprozess, mit all seinen offenkundigen Widersprüchen, basiert. Dabei zeigt sich, dass der Grund für die Perversion gewisser wirksamer Mechanismen in einer rein ökonomischen und ökonomistischen Konzeption von Fortschritt zu suchen ist, der – ebenso weltfremd wie verantwortungslos – als ein geradliniger, gleichsam automatischer und per se aufklärerischer Prozess betrachtet wird. Das trifft nicht zu. Und die aktuelle Pandemie liefert uns dafür einmal mehr den Beweis.
Es handelt sich um eine ethische Krise, aber bei genauerer Betrachtung ist diese Krise auch spiritueller Natur, weil eben das infrage gestellt wird, worauf die Menschen der westlichen Welt vertraut haben. Die lebenswichtige Beziehung, die sich zwischen einer menschlichen Gesellschaft und ihrer natürlichen Umwelt herausbildet, ist in der Tat nicht einfach das Ergebnis irgendwelcher Techniken, sondern entspricht einem wechselseitigen Prozess, der letzten Endes davon abhängt, für welche Werte sich der Mensch entscheidet. Technologie an sich ist nichts anderes als angewandte Naturwissenschaft, denn jegliche naturwissenschaftliche Errungenschaft wird früher oder später technisch genutzt, um der Natur möglichst viele Güter und Ressourcen zu entziehen. Daher stammt die – von Jürgen Habermas1 formulierte – Überzeugung, dass sich hinter Technologien und Naturwissenschaften stets spezielle menschliche Interessen verbergen und diese niemals losgelöst von bestimmten Werten zu sehen sind. Diese Interessen werden auf der Basis der in einer Gesellschaft geltenden Grundwerte und Grundüberzeugungen, also ausgehend von einer vorherrschenden kulturellen Präg