: Marina Frigerio Martina
: »... und es kamen Menschen« Die Schweiz der Italiener
: Rotpunktverlag
: 9783858696021
: 1
: CHF 17.00
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: Sonstiges
: German
: 552
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was haben ein bekannter Bildhauer, ein SVP Nationalrat, eine engagierte Journalistin, ein Schriftsteller und ein ehemaliges Flüchtlingskind gemeinsam? Schang Hutter, Toni Bortoluzzi, Maria Roselli, Franco Supino und Annarella Rotter Schiavetti erzählten den Autorinnen ihre Geschichte als Nachkommen italienischer Einwanderer. Das Buch vereinigt die Porträts von 20 Menschen der ersten, zweiten und dritten Generation von Italienerinnen und Italienern in der Schweiz. Die Integration, mehr noch, die »Verschmelzung« zwischen den beiden Völkern, findet seit mehr als hundert Jahren ununterbrochen statt. Es geht dabei um einen stillen Prozess - ohne Trommeln und Fahnenschwinger. Langsam wird man gewahr, dass einem die Fremden nicht mehr so fremd sind. Die Geschichte der Italiener in der Schweiz gilt - nach allen mehr oder weniger überwundenen Schwierigkeiten - als eine »erfolgreiche Integrationsgeschichte«. Was aber heißt das für die Einzelnen? Und wie wirken diese Schwierigkeiten noch in der dritten Generation nach? Wie verändert sich über die Generationen der »Blick zurück«, das Heimweh, die Sehnsucht und wie entwickelt sich das Verhältnis von Sprache, Identität und Integration? Auf diese und viele andere Fragen geben die in diesem Band erzählten Biografien eine Antwort.

Marina Frigerio Martina, geb. 1959, ist schweizerisch-italienische Doppelbürgerin. Lebt in Bern. Arbeitet als Psychologin in einer kinderpsychiatrischen Institution. Kennt die Welt der Italiener in der Schweiz aus beruflicher und persönlicher Erfahrung. Susanne Merhar, geb. 1967, ist Schweizerin mit österreichischen Wurzeln. Arbeitete als Schulpsychologin. Emigrierte 1998 in die USA und betreibt an der Universität Berkley Studien über die amerikanische Immigrations-»Landschaft«.

Was haben ein bekannter Bildhauer, ein Nationalrat der SVP, eine engagierte Journalistin, ein Schriftsteller und ein ehemaliges Flüchtlingskind gemeinsam? Schang Hutter, Toni Bortoluzzi, Maria Roselli, Franco Supino und Annarella Rotter-Schiavetti erzählten uns ihre Geschichte als Nachkommen italienischer Emigranten.

Im Ganzen»porträtierten« wir zwanzig Menschen der ersten, zweiten und dritten Generation, die uns die Geschichte ihrer Familie, ihrer Träume und ihrer Sehnsucht erzählt haben. Wir hatten uns vorgenommen, die Geschichte der italienischen Einwanderung in der Schweiz aus der Perspektive der Betroffenen zu erfassen und sie in den Migrationsdiskurs zu integrieren. Dabei war es uns wichtig, auch die»kulturellen Produktionen« von Einwanderern und ihren Nachkommen sowie den Migrationsdiskurs innerhalb der italienischen Gemeinschaft in der Schweiz zu berücksichtigen.

Die Art, wie diese Arbeit entstand, der intensive wie auch emotionelle Austausch mit den Betroffenen widerspiegeln sich auf diesen Seiten. Hauptdarsteller sind hier die Menschen, die uns ihre Geschichte anvertraut haben. Es geht deshalb auch um ein Fachbuch, das für Laien gleichermaßen von Interesse sein sollte.

Eigentlich machen wir in dieser Arbeit nichts anderes, als die subjektive Ebene der Einzelnen mit den entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und Annahmen zu verbinden. Dieses harmlos erscheinende Vorhaben erwies sich bei der Realisierung alsäußerst schwierig. Bereits der Versuch, unsere Gesprächspartner in Kategorien einzuordnen, die mit der gängigen Forschungübereinstimmen, erwies sich als sehr problematisch. Der wichtigste gemeinsame Nenner dieser Menschen ist das Bekenntnis zu ihren italienischen Wurzeln, und uns wurde sehr bald bewusst, dass Secondo nicht unbedingt gleich Secondo ist. Die Lage der Nachkommen der Einwanderer aus dem frühen 20. Jahrhundert zum Beispiel ist natürlich eine ganz andere als die der Kinder der heutigen Secondos. Wir befinden uns mit unserer Frage nach der Bedeutung der Subjektivität in der Migrationsforschung quasi im wissenschaftlichen Niemandsland.

Über die Geschichte der italienischen Einwanderung in der Schweiz wurde bereits viel geschrieben. Historiker, Politologen, Psychologen, Soziologen und neuerdings Ethnologen befassten sich mit deren Entwicklung und den damit verbundenen Problemen. Dabei konzentrierte sich die Forschung auf die Migrationswellen der Nachkriegszeiten. Dazu ist die autobiografische Literatur zu verzeichnen: Neben den»Secondos« wie Franco Supino, welche die Erfahrung ihrer Eltern und ihre eigene Geschichte literarisch aufgreifen, gibt es auchältere Autoren, wie Dino Larese (1981) oder Ettore Cella (1983), die uns mit ihren autobiografischen Romanen in die Welt der frühen italienischen Einwanderer in der Schweiz führen.

Die Begegnung mit unseren Partnern zwang uns, neue Wege zu gehen, die uns zum Anfang der Umwandlung der Schweiz vom Aus- zum Einwanderungsland bringen. Wir gelangten zurÜberzeugung, dass der Migrationsdiskurs in der Schweiz nur dann einen Sinn hat, wenn die Eigenbetroffenheit der Schweizer erkannt wird: als Nachkommen jener armen Bauern, die Jahrhunderte lang als Söldner ihre Dienste fremden Herren angeboten hatten und später nach Amerika oder Russland ausgewandert waren, um ihr Brot zu verdienen– oder als Bauarbeiter und Kaminfeger nach Italien. Nicht zuletzt aber auch als Menschen, vor allem Frauen, die seit dem Bau der ersten Tunnel unter den Alpen im 19. Jahrhundert eine binationale Familie mit italienischen Einwanderern gründeten.

Die Integration (oder eher die Verschmelzung) findet seitüber hundert Jahren ununterbrochen statt. Die Gefühle der Menschen siegenüber jedes Migrationskonzept,über jede Begrenzung und jedes Verbot. Es geht aber um einen stillen Prozess, ohne Trommeln und Fahnenschwinger. Mit der Zeit stellt man fest, dass einem die Fremden nicht mehr so fremd sind. Die Geschichten unserer Partner zeigten uns diese Welt der Schweizer mit italienischen Wurzeln in all ihren Facetten.

Wir versuchten, die Geschichten so zu ordnen, dass sie es dem Leser erlauben, sie in ihrer Komplexität zu verstehen un