1. KAPITEL
„D…du h…hast mich gef…funden. Mir ist so k…kalt, Meg. Muss ich st…sterben?“
Der Junge war bei dem wütenden Heulen des Windes kaum zu hören, und Megan spürte die eisige Kälte sogar durch ihre dick gefütterte Jacke.
„Du stirbst nicht, Harry. Und ich darf auch noch nicht sterben, weil ich meine Weihnachtseinkäufe noch nicht erledigt habe …“ Sie sprach lauter, damit er sie hören konnte und sich beruhigte. „Außerdem liegt in meinem Kühlschrank ein Stück verschimmelter Käse, das ich schon längst wegwerfen wollte. Wenn meine Mum das findet, bringt sie mich um. Also los, wir müssen so schnell wie möglich nach Hause!“
Megan öffnete ihren Rucksack und holte die Ausrüstung heraus, die sie brauchte. „Ich habe das Bergrettungsteam angerufen. Sie sind schon unterwegs, aber bis sie ankommen, bringe ich uns erst mal ins Warme.“ Als hätte er etwas dagegen, heulte der Wind noch lauter und erdrückte fast ihren Körper. Sie stützte sich mit einer behandschuhten Hand ab und schützte den Jungen mit ihrem Körper.
Hinter ihnen lagen schneebedeckte, zerklüftete Felsen, und neben ihnen fiel der Berg steil ab in eine tiefe Schlucht.
Megan zog den Kragen ihrer Jacke über den Mund und versuchte, zu Atem zu kommen. Eigensinnig ignorierte sie ihre nagenden Zweifel, ob es bei dem starken Wind überhaupt möglich wäre, den Jungen von dieser gefährlichen Stelle zu evakuieren.
Auf ihren Pfiff erschien Rambo, ein zum Rettungshund ausgebildeter Deutscher Schäferhund. Er trottete zu dem Jungen, setzte sich vor ihn und schützte ihn so vor dem eisigen Wind.
„So, Harry.“ Sie musste schreien, damit er sie überhaupt hörte. „Ich kann dir leider kein warmes Wohnzimmer mit knisterndem Kaminfeuer und geschmücktem Weihnachtsbaum bieten, aber das hier sollte seinen Zweck erfüllen.“ Sie ließ das tragbare Zelt, das sie aus ihrem Rucksack gezogen hatte, aufschnappen. Sofort verfing sich der Wind darin und riss sie beinahe mit. „Ver… ich muss wirklich mehr Schokolade essen.“ Megan zog mit aller Kraft und konnte das Zelt schließlich verankern. Schnell brachte sie den verletzten Jungen hinein. Als sie sich keuchend den Schnee aus dem Gesicht wischte, fragte sie: „Was hast du bloß gemacht, Harry? Du siehst aus wie ein Statist aus einem billigen Horrorfilm.“
Im schwindenden Licht konnte sie die tiefe Schnittwunde an seinem Kopf und die blauen Prellungen sehen.
Harry fasste mit einer blutigen Hand nach seiner Wunde. „Ist es schlimm?“
„Ich habe schon Schlimmeres gesehen.“
„Aber du arbeitest in der Notaufnahme, da ist das nicht unbedingt ein Trost.“
„Du wirst wieder gesund, Harry.“ Megan zog ihre Handschuhe aus und öffnete die Gurte ihres Rucksacks. „Morgen hast du garantiert Kopfschmerzen, aber nach ein paar Tagen Bettruhe ist das auskuriert.“ Sie ließ ihre Stimme sachlich klingen und achtete auf