3. KAPITEL
Sharni wusste nicht, was sie sagen sollte. Schließlich hatte ihre Weigerung, ihm Gesellschaft zu leisten, nichts damit zu tun, dass er ein Fremder war.
„Oh, ich verstehe“, meinte er und ließ seine Hand sinken. „Ich erinnere Sie zu sehr an Ihren Mann.“
„Ja“, stieß sie hervor. Und es lag nicht nur an seinem Aussehen. Sie dachte daran, wie er sich die Haare aus der Stirn gestrichen hatte. Ganz zu schweigen von seiner Art zu gehen und sich zu bewegen. Genau wie Ray.
„Ist das denn etwas Schlimmes?“, fragte er.
„Nun, nein, ich denke nicht …“
„Da Sie nun den ersten Schock über unsere Ähnlichkeit überwunden haben, bin ich sicher, Sie werden sehr viele Unterschiede feststellen.“
Ihre Art zu sprechen war auf jeden Fall verschieden. Ray hatte mit starkem, australischem Akzent gesprochen. Die Stimme von Adrian Palmer verriet die Erziehung in einer Privatschule. Sie klang kultiviert und gebildet.
Außerdem strahlte er ein Selbstvertrauen aus, das Ray niemals besessen hatte. Ihr Ehemann war ein ruhiger schüchterner Mann gewesen, dessen emotionale Bedürftigkeit Sharnis soziale Natur angesprochen hatte.
Was für eine Ironie des Schicksals, dass sein Doppelgänger Architekt geworden war, ein Beruf, den Ray sich immer gewünscht, aber nicht zugetraut hatte. Stattdessen hatte er als technischer Zeichner gearbeitet.
„Bitte, sagen Sie nicht Nein“, fuhr der Doppelgänger fort und lächelte ein Lächeln, das so ganz anders aussah als Rays Lächeln. Verführerisch, mit aufblitzenden weißen Zähnen und fast unwiderstehlich charmant.
Dass ihre Entschlossenheit tatsächlich ins Wanken geriet, überraschte Sharni. Denn plötzlich erinnerte er sie überhaupt nicht mehr an Ray.
„Es ist doch nur ein Lunch“, fügte er hinzu. Seine blauen Augen funkelten.
In Rays Augen hatte nur selten ein Funkeln gelegen. Sie waren eher wie ruhige Seen gewesen. Wohingegen ihr seine Augen wie das im Sonnenlicht glitzernde Meer vorkamen.
„Na gut“, stimmte sie zu, bevor sie es sich anders überlegte.
Ihr blieb kaum Zeit, um Luft zu holen, da stand er auch schon auf und holte die Sachen von ihrem Tisch. „Haben Sie eine kleine Shoppingtour gemacht?“, tippte er, als er die Tüten auf den freien Stuhl neben sie legte.
„Was? Oh ja. Heute Nachmittag folgt der zweite Teil.“
Als er sich setzte, strich er sich wieder auf die ihr so vertraute Weise die Haare aus der Stirn. Abermals war Sharni sprachlos.
Er lächelte. „Sie sollten sich auch vorstellen.“
„Wie bitte?“, haspelte sie verwirrt.
„Ihr Name. Oder möchten Sie die geheimnisvolle Frau bleiben?“
Sharni riss sich zusammen. „An mir gibt es nicht viel Geheimnisvolles“, erklärte sie mit einem kleinen Lachen. „Ich heiße Sharni. Sharni Johnson.“
„Sharni“, wiederholte er. „Was für ein ungewöhnlicher Name. Er passt zu Ihnen. Wissen Sie, was Sie bestellen möchten, Sharni? Oder wollen Sie das Risiko eingehen und mich etwas für Sie aussuchen lassen? So groß ist das Wagnis allerdings nicht. Ich habe schon etliche Mal hier gegessen, nicht wahr, Roland?“, wandte Adrian sich an den Kellner, der an ihren Tisch getreten war.
„In der Tat, das haben Sie, Mr. Palmer“, entgegnete Roland.
„In Ordnung“, willigte sie ein und dachte, dass Adrian Palmers Selbstvertrauen an Arroganz grenzte.
„Mögen Sie Fisch?“, fragte er, während er die Karte studierte.
„Ja.“
„Wie steht es mit Wein? Trinken Sie Weißwein?“
„Gern.“
„In diesem Fall nehmen wir die gedämpften Zanderfilets mit Salat und zum Nachtisch die Mandel-Pflaumentorte. Mit Sahne. Und bringen Sie uns bitte eine Flasche von dem Wein, den ich gestern bestellt habe. Sie wissen schon, den Sauvignon Blanc vom Margaret River.“
„Kommt sofort, Mr. Palmer.“
Seine Gewandtheit musste Sharni einfach bewundern. Es lag lange Zeit zurück, dass ein Mann