DIE GANG
„Fahr’ vorsichtig, Mutti. Ich glaube, heute Abend könnte es glatt werden“, bat Viktor und reichte seiner Mutter den Autoschlüssel.
„Danke dir, mein Lieber. Ich werde schon aufpassen.“ Christine Tomanek gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange und nahm den Schlüssel entgegen. „Und bleib’ bitte nicht so lange weg. Morgen ist Schule.“
„Versprochen. Spätestens um zehn lieg ich in der Koje.“
Seine Mutter lächelte. Sie wusste, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Immerhin blieb ihr auch nichts Anderes übrig, denn ihr fünfzehnjähriger Sohn war schon seit Jahren fast jede Nacht allein zu Hause. Christine musste ja Geld verdienen – und das tat sie eben nachts. Jeden Abend gegen halb acht verließ sie das Haus und kam erst in den frühen Morgenstunden wieder.
Als Viktor klein gewesen war, hatte er die Nächte bei einer Nachbarin verbracht, doch seit einigen Jahren blieb er allein in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung in einem heruntergekommenen Sozial-Wohnblock. Viktor kannte es nicht anders, deshalb störte es ihn nicht besonders, auch wenn er natürlich nie jemanden mit zu sich einlud – aus Scham über seine Wohnverhältnisse. Außerdem war es viel spannender, bei seinen Freunden abzuhängen, die – wie man so schön sagt –zur gehobenen Gesellschaft gehörten. Auch wollte er nicht, dass irgendjemand mitbekam, dass seine Mutter regelmäßig Alkohol oder Drogen zu sich nahm.
Christine versuchte das zwar vor ihrem Sohn zu verbergen, doch er hatte schon öfter mitbekommen, in welchem Zustand sie früh morgens zurück in die Wohnung kam. Er brachte sie dann in ihr Bett, das gleichzeitig auch sein eigenes war, und ließ sie ihren Rausch ausschl