: S. M. Groth
: Mister Black aus seiner Sicht Teil 2
: TWENTYSIX
: 9783740777272
: 1
: CHF 6.40
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: Erzählende Literatur
: German
: 314
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Geschichte von Ryan Black geht weiter. Wie soll es weitergehen? Wie soll es nach seinem Verrat an Mary weitergehen?

Kapitel 6


Während der Arbeit konnte ich die Zweifel, die die kleine Stimme in meinem Kopf hervorruft, verstummen lassen. Nun sitze ich eine halbe Stunde zu früh im Restaurant und warte. Wird sie kommen? Ich kaue von innen an meiner Wange herum.

Um mich abzulenken sehe ich mich um. Hier hat sich in den letzten Jahren nicht viel geändert. Ich war auch lange nicht mehr hier. Früher haben Jim und ich uns immer hier getroffen. Das Essen ist super und nicht überteuert. Außerdem hat man hier seine Ruhe vor den aufstrebenden Leuten und vor Papparazzi. Obwohl es eins der besten Restaurants in New York ist, trifft sich hier nicht das Who ist Who der New Yorker High Society. Natürlich kenne ich den einen oder anderen Gast. Das bleibt in meiner Position nicht aus, aber es ist keiner hier, um gesehen zu werden oder um einflussreiche Menschen zu treffen. Alle wollen nur ein gutes Essen genießen und das in ruhiger, netter Atmosphäre.

Ich habe mich für einen Tisch in der Ecke entschieden. Auch wenn ich mit Mary in der Öffentlichkeit reden will, nervt es mich doch, mitten in einem Lokal zu sitzen, wo die Kellner und die Gäste immer an einem Gast vorbei gehen müssen.

Jedes Mal, wenn sich die Tür öffnet, hoffe ich, dass sie es ist. Wie viel hier los ist, wird mir dadurch erst bewusst. Immer mehr Menschen betreten den Laden, doch es ist nie Mary. Die kleine Stimme in meinem Kopf versucht, mich in den Wahnsinn zu treiben. Sie versucht, mir Gedanken in den Kopf zu pflanzen.

Gedanken wie: Sie wird nicht kommen. Du wirst sie nie wiedersehen. Du hast es für immer versaut.

Über der Tür hängt eine Uhr, die sich quälend langsam eine Minute nach der Anderen nach vorne schiebt. Sie hat noch Zeit, versuche ich mir immer wieder zu sagen, um mich zu beruhigen.

Fünf Minuten zu früh betritt Mary das Lokal. Ich springe sofort auf und renne zu ihr. Sie muss bleiben. Sie darf nicht einfach nur wieder meine Karte abgeben. Abrupt bleibe ich vor ihr stehen. Wie soll ich sie überhaupt begrüßen? Wieso habe ich da noch gar nicht drüber nachgedacht? Ihr die Hand zu geben ist zu förmlich, sie aber küssen ist wohl zu intim. Verdammt Gehirn, arbeite. Ich entscheide mich schließlich für einen Kuss auf die Wange.

Sie sieht einfach fabelhaft aus. Ich wette, dass sich viele Männer hier nach ihr umdrehen. Die Jeans sitzen, wie für sie gemacht und betonen ihre schlanke Figur. Die Bluse unterstreit die Farbe ihrer Augen. Ich muss ein Schmunzeln unterdrücken. Wahrscheinlich ist Mary die einzige Frau in New York unter 50, die ihre Bluse wirklich ganz zuknöpft.

Um zu verhindern, dass sie doch noch das Weite sucht, nehme ich Mary an die Hand und führe sie zu unserem Tisch. Mary rutscht auf die Bank, die die Wand im Rücken hat. Da sie bis zum Fenster durchrutscht, setze ich mich neben sie. Es scheint Mary nervös zu machen. Auch mich macht es etwas nervös, aber wir müssen über sehr intime Dinge sprechen und das möchte ich so leise wie möglich tun.

Ich nehme Marys Hand in meine und streichle mit dem Daumen darüber. Ihre Haut ist so zart. Der Kellner unterbricht meine Zärtlichkeit, um uns die Karten zu bringen und unsere Getränkewünsche aufzunehmen. Ich lasse Mary zuerst ein Getränk auswählen und schließe mich dann an. Es ist ungewohnt. Normalerweise gehe ich nur zu Geschäftsessen und bestelle dann immer Wein zum Essen, den ich selbst auswähle. Aber eigentlich ist es auch schön, sich darüber keine Gedanken machen zu müssen.

„Kannst du etwas empfehlen,“ fragt Mary, während sie ihre Speisekarte studiert.

„Eigentlich ist hier alles gut,“ sage ich, weil es stimmt. Alles, was ich hier bisher probiert habe, war einfach köstlich. Angefangen bei der einfachen Tomatensuppe bis hin zum cog au vin.

Neugierig sieht Mary mich an. Ich lese von ihrer Nasenspitze ab, dass sie wissen möchte, woher ich das weiß.

„Ich war hier früher öfter mit Jim,“ sage ich, um sie nicht auf die Folter zu spannen.

„Früher?“ fragt Mary überrascht.

Ich erkläre ihr, dass ich immer viele Besprechungen und Geschäftsessen und so habe und da immer essen gehen muss. Da bleibt eigentlich keine Zeit, um mal privat essen zu gehen. Als ich es aus meinem eigenen Mund höre, klingt es eher wie eine Ausrede.

Mary bringt es auf den Punkt: „Wer nicht will, findet Gründe. Wer will, findet Lösungen.“

„Du hast Recht, ich werde Jim gleich morgen früh anrufen und mit ihm zum Essen gehen.“

„Warum erst morgen früh?“ fragt Mary herausfordert.

Ich bin zum Essen mit Mary, da komme ich doch nicht auf die Idee und telefoniere mit jemand Anderen, nicht nur, dass ich das sehr unhöflich finde, wir haben auch viel zu bereden.

Der Kellner bringt unsere Getränke und fragt nach unserer Essensbestellung. Als der Kellner weg ist, fordert mich Mary auf, Jim jetzt anzurufen. Ich will jetzt nicht mit Jim telefonieren, aber ihre Miene zeigt mir, dass es ihr wichtig ist. Also gebe ich nach und rufe Jim an.

„Hey Jim,“ sage ich und höre aus seiner Begrüßung Überraschung heraus. Immerhin haben wir heute Vormittag erst miteinander telefoniert. Sonst hören wir wochenlang nichts voneinander und nun gleich zweimal am Tag. Ohne Umschweife frage ich, ob er morgen Zeit und Lust hat, mit mir essen zu gehen. Ich entscheide das, ohne in meinen Kalender gesehen zu haben. Mary hat schließlich Recht und ich werde schon Zeit finden. Sonst sage ich eben Termine ab.

„Ist etwas passiert?“ fragt Jim überrascht und auch ein bisschen besorgt.

„Nein, es ist nichts passiert,“ beruhige ich ihn, „Mary hat mir nur gerade deutlich gemacht, dass ich mir mehr Zeit nehmen sollte für Menschen, die mir wichtig sind.“

„Mary hat dir das gesagt?“ fragt er ehrlich überrascht.

„Ja, Mary.“

„Du hast mit ihr gesprochen?“ fragt er noch einmal nach.

„Ja, sie sitzt neben mir. Möchtest du sie sprechen?“

Jim lacht. Es ist herrlich sein ehrliches Lachen zu hören. Er scheint wirklich amüsiert zu sein. Sein Lachen ist ansteckend. Das war es schon immer. Egal, wie schlecht meine Laune immer war, wenn Jim herzhaft gelacht hat, musste ich einfach mit lachen.

„Wenn du mir das sagst, dann wird das schon stimmen. Ich bin nur sehr überrascht. Nun kümmere dich aber um deinen Gast.“

„Wir reden morgen, ok?“

„Sehr gerne, schick mir einfach eine Restaurantadresse und eine Uhrzeit und ich werde da sein.“

„Ja, schicke ich dir morgen früh. Bis dann.“

„Bis dann.“

Ich wende mich zu Mary und frage: „Zufrieden die Dame?“

Mary strahlt über ihr ganzes Gesicht und das freut mich mehr als die Verabredung morgen mit Jim.

„Wohin geht ihr?“ fragt Mary.

„Das kommt darauf an, wie der Abend läuft,“ gebe ich zurück. Wenn der Abend gut läuft, würde ich mit Jim in das Look out gehen, um Mary wenigstens zu sehen, auch wenn sie keine Zeit haben wird. Wenn sie mich nach diesem Abend zum Teufel jagt, ist mir das Lokal egal.

„Ich dachte, ihr geht immer hierher?“ fragt Mary und ich merke, dass sie nur Zeit schinden möchte. Dennoch sage ich ihr, dass wir früher oft hier waren, aber Jim sie sicher auch wiedersehen möchte. Soweit ich es abschätzen kann, hat Mary sich lange nicht in das Fitnessstudio getraut. Also haben die beiden nur miteinander telefoniert.

Unser Essen wird serviert. Und ich versuche das Gespräch mit einer Entschuldigung zu beginnen, doch Mary bittet mich, dass Gespräch nach dem Essen zu führen. Ich versuche in ihrem Gesicht zu lesen, warum sie das möchte und ob sie dann wirklich bereit ist, mit mir zu reden. Wir müssen das Geschehene besprechen, ob Mary will oder nicht. Wenn sie aber nicht wollte, wäre sie nicht da. Also dann nach dem Essen.

Ich versuche Small-Talk zu machen, indem ich sie nach ihrem restlichen Tag im Spa frage. Bereitwillig erzählt sie mir davon. Als ob ich es gewusst hätte, hat sie keine weiteren Behandlungen gebucht. Wieso ist sie nur so? Wieso nimmt sie es nicht an, wenn ich ihr etwas schenken möchte?

Marys Handy piept und sie macht keine Anstalten danach zu sehen. Wieder etwas, was Mary von dem Rest der New Yorker unterscheidet. Oder macht sie das nur nicht, weil sie einen Anderen kennengelernt hat, der ihr schreibt. Erneut meldet sich diese kleine Stimme in meinem Kopf, die mir sagt, dass sie einen Besseren gefunden hat.

„Schau ruhig nach,“ sage ich zu ihr und versuche zu verbergen, dass mich die Eifersucht umbringt. Wen könnte sie so schnell kennengelernt haben. Sie holt ihr Handy aus der Tasche und während sie die Nachricht liest, breitet sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Sie sieht wunderschön aus, wenn sie glücklich ist. Wer macht sie so glücklich und warum kann ich es nicht.

„Kim,“ sagt Mary schlicht.

Routinemäßig sage ich, Mary soll sie grüßen. Was hat sie Kim über mich, über die...