Erstes Kapitel
Dr. Philip Harding lächelte zufrieden vor sich hin, während er den Zufahrtsweg des alten Landhauses hinabging. Es war bereits neun Uhr, aber er schien nicht ungehalten darüber, dass man ihn an diesem unfreundlichen Oktoberabend noch zu so später Stunde gerufen hätte. Mrs. Pilkington war sein wichtigster Patient - wichtig darum, weil sie ihre Rechnung pünktlich bezahlte. Die alte Dame konnte man nicht eigentlich krank nennen, Dr. Harding hielt sie sogar für sehr gesund. Aber sie gehörte zu jenen eigensinnigen Leuten, die nichts mit dem Staatlichen Gesundheitsdienst zu tun haben wollten. Mrs. Pilkington fühlte sich, erst dann richtig wohl, wenn sie glauben konnte, an einer schrecklichen, beunruhigenden Krankheit zu leiden.
Dr. Harding war noch jung - erst zweiunddreißig -, und er war nicht sehr ehrgeizig. Das bewies allein schon die Tatsache, dass er vor eineinhalb Jahren eine vernachlässigte Landpraxis gekauft hätte und sich mit dem ruhigen! eintönigen Leben eines Dorfarztes zufriedengab. Spezialistentum, mit einer Praxis in der Harley Street als höchstem Ziel, hatte ihn nie beeindruckt. Er hasste London und alle anderen Großstädte. Seine Vorstellung von einem gesunden, vollkommenen Dasein gipfelte in einem ruhigen Leben auf dem Lande, das ihm reichlich Zeit ließ, Golf zu spielen und im Garten Blumen zu ziehen. Gewiss, seine Verlobte hatte in der City eine gute Stellung als Geschäftsführerin eines großen Unternehmens, aber das hübsche, geräumige Haus, das Dr. Harding bewohnte, gefiel ihr. Er war überzeugt, dass auch sie sich an das geruhsame Leben auf dem Lande gewöhnen würde. Trotzdem runzelte der junge Arzt jetzt unmutig die Stirn, während er weiter den dunklen Garten entlangging.
Der Gedanke an Doris kam nicht von ungefähr. Sie hatte ihm in letzter Zeit schwer zu schaffen gemacht. Erst bei ihrem letzten Zusammensein hatte sie ihn wieder gedrängt, doch endlichden Lehm von den Füßen abzustreifen - wie sie sich ironisch ausdrückte - und eine elegante Praxis im West End zu kaufen. Er besaß einiges Vermögen und sie ebenfalls - damit ließe sich schon etwas Ordentliches kaufen. Harding hoffte indessen, dass sie es nicht so ernst meinte, wie sie sich den Anschein gab. Der Kummer mit Doris war allein der, dass sie ihn maßlos überschätzte. Er hielt sich nicht für übermäßig klug - er wollte es auch nicht sein. Aber die Art,wie sie ihn immer wieder zwingen wollte, etwas darzustellen, was er absolut nicht sein wollte, ärgerte ihn. Ohne Zweifel würde sie noch vernünftig werden. Wenn sie erst einige Monate auf dem Land gelebt hatte, würde sie ihm zustimmen müssen, dass dies die einzig richtige Lebensform war.